Der luftige Zauber von Sylt – eine Inselerkundung
Seit den wilden Sechzigerjahren der Reichen und Schönen heißt Sylt in Kennerkreisen nur noch 'die Insel'. Anders als das Klischee es will, besteht Sylt allem voran aus Natur. So wunderbar wild und schön tritt sie ihren Besuchern gegenüber.
Wind, Wellen, Weite. An der Brandungsküste von Sylt endet Deutschland im Meer.
Naturverbundenheit und Savoir-vivre gehören auf Sylt zusammen, die kulinarische Vielfalt auf der Insel ist ziemlich einmalig.
Unser erstes Mal auf Sylt. Fünf Tage waren wir Mitte September mit unserem VW Bus auf der Insel, eingecheckt auf dem Campingplatz in Kampen.
Es stimmt. Sylt wirkt belebend, macht gelassen und den Kopf frei. Es erinnert uns an die Hamptons – Sylts Dünenlandschaft an der ungezähmten Westküste bleibt aber unerreicht. Wie schrieb schon Thomas Mann? "Hier habe ich tief gelebt".
Ankommen auf Sylt
Auf dem Autozug geht es entspannt über den Hindenburgdamm durchs Wattenmeer bis zum Sackbahnhof Westerland. Hätte man den Damm 1927 nicht gebaut, wäre Sylt heute wohl dänisch. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mussten sich die Sylter in einer Volksabstimmung entscheiden, ob sie zu Dänemark oder Deutschland gehören wollen. Für einen Ausgang gegen Dänemark wurde den Insulanern der Eisenbahndamm versprochen, über den heute täglich 100 Züge rollen. Auf Sylt erzählt man gerne, der Hindenburgdamm sei die rentabelste Strecke der Deutschen Bahn.
- Das Autozug-Verladeterminal liegt in Niebüll. Die Überfahrt dauert ca. 50 Minuten.
- DB Sylt Shuttle. Pkw Höhe bis 2,70 m und ein zulässiges Gesamtgewicht bis zu 3 Tonnen.
- Der Blaue Autozug Sylt transportiert auch Wohnmobile bis zu 10 Meter. Alternativ kann die Sylt Fähre vom dänischen Rømø nach List auf Sylt genommen werden.
- Der Flughafen Sylt wird von mehreren deutschen Städten und Zürich angeflogen.
- Abstecher: Das Emil Nolde Museum im ehemaligen Wohnhaus des Malers liegt nur 20 min von Niebüll.
Meine Sylt Reiseführer
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Campen in Kampen
Sylt besitzt sieben Campingplätze, einen sogar in Kampen an den Dünen des Roten Kliffs. Der naturbelassene Platz gefällt uns auf Anhieb. Großräumig angelegt zwischen 'Sylter Heckenrosen' liegt er direkt an einem Strandzugang. Hinter den Dünen erstreckt sich ein einsamer Strand ohne Strandkörbe oder Einrichtungen. Viele hier sind Dauercamper oder Stammgäste und alle sind sie Ruhesuchende. Nach 22 Uhr wird ein junges Paar rasch vom Nachbarn aufgefordert, die zu laute Musik abzudrehen, "dies sei ein Campingplatz und kein Vergnügungspark."
- Campingplatz Kampen. Das Waschhaus ist groß und sauber, Brötchenservice gibt es nicht, aber das Dorf Kampen ist fußläufig erreichbar. Hervorragend versorgen kann man sich im Nachbarort Wenningstedt, auch mit feinsten Lebensmitteln. Wasser kaufen kann man sich auf Sylt sparen. Das Leitungswasser der Insel ist von allerbester Qualität.
- Der nächste bewachte Badestrand mit Strandkörben liegt 1,7 km südlich beim Strandübergang am Campingplatz Wenningstedt oder 2,2 km nördlich beim Kampener Hauptstrand.
- Ein Campingplatz-Wechsel auf Sylt lohnt sich kaum, da man schnell überall auf der Insel ist. Von der Inselmitte in Westerland ist es eine halbe Stunde bis nach List im Norden oder nach Hörnum im Süden.
Das 'Sylt Panorama' am Roten Kliff
Das erste, was man machen muss, ist ein Gang zum Roten Kliff. Der Blick ist überwältigend: Das offene Meer, die Brandung, ein schier endloser Strand, die Spaziergänger und Strandkörbe wie hingetupft. Spektakulär ragt die bis zu 30 Meter hohe Kliffkante aus dem Sand. An dem Sylter Wahrzeichen nagt unaufhaltsam die See, die Sylts eigenwillige Form aus eiszeitlichen Moränen modellierte.
Rotes Kliff in der Abendsonne Foto ©-Sylt Marketing
40 Kilometer weit könnte man den Sylter Strand ablaufen, von Hörnum bis zum Lister Ellbogen auf schmeichelndem weißen Sand zwischen schäumender See und Bilderbuchdünen. Manchmal fühlt es sich barfuß an, als ginge man durch Mehl.
Auf dem naturbelassenen Panoramaweg zwischen Kampen und Wenningstedt geht man über den Dünenrücken des Roten Kliffs – zurück dann am Strand entlang – barfuß versteht sich.
Etwa in der Mitte des Weges kommt die Uwe-Düne ins Bild. Auf ihren 52,5 Meter hohen Gipfel sind die Sylter stolz. Überstrahlt wird er nur noch vom 'Langen Christian', Kampens altem Leuchtturm. Nach den 109 Holzstufen hat man einen uneingeschränkten Rundblick über die Insel. Das Haus Kliffende markiert das Ende des 5 km langen Roten Kliffs und ist stets von Sturmfluten bedroht. Die einstige Künstlerpension, in der Thomas Mann und Emil Nolde aber auch ein Hermann Göring nächtigten, rückte der Abbruchkante gefährlich nahe und muss durch Aufschüttungen und riesige Sandsäcke stabilisiert werden. Nördlich davon taucht die Buhne 16 auf, jener berüchtigte Kampener Strandabschnitt der Sechziger Schickeria.
Auf dem Rückweg krempeln wir die Hosenbeine hoch, spazieren am Meeressaum in der salzhaltigen Luft. Mit dem aufbrausenden Wind ist die Stunde der Kiter gekommen. Am Surfer-Strand bei Wenningstedt heben sie artistisch über den Wellen ab. Einen ordentlichen Regenguss nehmen wir gelassen hin, denn typisch für Sylt, sind die nassen Kleider 15 Minuten später wie von einem Dyson Handtrockner wieder trocken gepustet.
- Wanderung am Roten Kliff. Wenningstedt–Kampen. Hin- und Rückweg 7 bis 8 km, ca. 2 Stunden Gehzeit.
- Einkehr-Tipps. Bei Kampen im Strandbistro Kaamps 7, am Abend wird die Karte exklusiver und man sollte reservieren. Wer noch 1 km drauflegt, hat die Buhne 16 erreicht. Die Strandbude lebt von ihrer Robinson-Lage und relaxten Atmosphäre und ist abends auch Feiertreff, etwas hohe Getränkepreise.
- Bei Wenningstedt findet man im Gosch am Kliff immer einen Platz. In Onkel Johnny's Strandwirtschaft sitzt man mit Meerblick bei Curry-Wurst und Pommes oder einem Drink.
Lohnender Rundgang – Dorf Kampen & Braderuper Heide
Durch ein Kampen fernab der 'Whiskymeile' lässt es sich auf dem Kampener Kulturpfad wunderbar wandeln. Ein besonderer Weg mit 32 Stationen, markiert mit Bronzestelen. Und ganz nebenbei entdeckt man interessante Plätze: den Avenarius Park mit dem Bouleplatz, die Blicke auf Watt und Heide rund um die Kupferkanne. Jede Stele erinnert an eine Persönlichkeit, die mit dem kleinen Inseldorf verbunden war, manche stehen vor den ehemaligen Wohnhäusern. Künstler, Schriftsteller, Verleger und Musiker kommen zu Wort. Über einen Trampelpfad am Watt (Grönning / Fennenweg) geht es vorbei an den teuersten Wohnhäusern der Republik. Hinter hohen verwilderten Hecken lugen ihre Reetdächer hervor. Am kleinen Sandstrand genießen wir denselben exklusiven Blick auf den Nationalpark Wattenmeer. Während der Ebbe ist es hier besonders schön. Beim Wattwandern waren wir einsam unterwegs.
- Alle Stelen haben einen QR Code für Hintergrundinformationen.
- In der Tourismusinformation Kampen erhält man das Begleitbuch zum Kampener Kunstpfad.
Von Kampen über die Braderuper Heide wandern.
Die Hälfte von Schleswig-Holsteins Heidefläche liegt auf Sylt. Bei der Braderuper Heide handelt es sich um eine historische Kulturlandschaft, die unter Naturschutz steht. Im Spätsommer blüht die Heide zartlila und versprüht einen erdig-würzigen Duft. Oberhalb des Watts spaziert man auf Holzbohlen durch die Heidelandschaft. Südlich von Braderup folgt das kleinere Weiße Riff.
Tipp Rundwanderweg: (Google Map) z.B. ab dem Café Kupferkanne in Kampen. Zunächst geht man entlang des Wattenmeers und über die Heidelandschaft wieder zurück. Ca. 6 km und 1h30.
Foto: Braderuper Heide / Tourismus Kampen
Einkehren in Kampen
Restaurant Manne Pahl in Kampen. Ein Sylter Klassiker seit mehr als drei Jahrzehnten, weil das Wiener Schnitzel, die Kalbsfrikadellen mit Rotwein-Schalotten-Püree oder das Roastbeef mit Remoulade und Bratkartoffeln einfach richtig gut sind. Man sitzt im Wintergarten oder in der besonders gemütlichen Stube.
Kultcafé in Kampen. Die Kupferkanne entstand 1949 als einfache Künstlerschenke in einem halb in die Erde gebauten Wehrmachtbunker. Aus dem kalten, verwinkelten Bau ist ein Ort der Behaglichkeit geworden mit gemütlichen Ecken und Öfen. Und wer erstmal im großen, gepflegten Garten sitzt und übers Watt blickt, weiß, warum man zum Frühstück reservieren sollte. Die Blechkuchen mit Sahne sind der Renner. Ein anschließender Spaziergang durch die Braderuper Heide könnte zur Blütezeit im Spätsommer kaum schöner sein.
Kampens wilde & nackte Jahre
"Ich fühle mich in Kampen auf Sylt ein bisschen wie ein Affe im Zoo, aber mit lieben Besuchern". Gunter Sachs
Wer an Sylt denkt, denkt nicht selten an die freizügigen Sechziger und das glamouröse Dorf Kampen. Mit Gunter Sachs kamen die Reichen und Schönen und versorgten die Boulevardpresse mit wilden Partys und Skandalen. Am legendären Nacktbadestrand Buhne 16 feierte man hemmungslos in den Dünen und durchtanzte die Nächte im 'Pony', dem ersten Club Deutschlands. Seltsame Gestalten waren das für die Insulaner, die sich noch im Dornröschenschlaf der Nachkriegszeit befanden. Die Prominenz, die früher in ihr armes Dorf Kampen kam, waren Maler und Dichter, feinsinnige Menschen, die die elementare Begegnung mit der Natur suchten. Die Intellektuellen gingen und der Jetset rückte nach. Man spielte Hummer-Rennen im Sand und im Softporno 'Sommer, Sylt und kesse Krabben' spielte Ingrid Steeger in einer ihrer ersten Rollen.
Nicht jeder konnte dem FKK-Kult etwas abgewinnen. „In jeder Welle hängt ein nackter Arsch“, kommentierte Romy Schneider, die ein einziges Mal nach Sylt kam. Neureiche Gattinnen behielten am Strand ihre Colliers und Klunker an, um nicht mit einer gemeinen Nudistin verwechselt zu werden. Marcel Reich-Ranickis Erinnerung an seinen Sylter Sommer 1967 waren 'Quadratkilometer Schamhaar', die er ertragen musste.
Am Strönwai entstand aus einer Handvoll Lokalen Kampens 'Whiskymeile', eine Oase der Sorgenfreiheit. Auf der gerade mal 300 Meter langen Promipiste stellte die Schickeria sich und ihre Autos zur Schau im Gogärtchen, Rauchfang und Pony Club. Leute mit und ohne Geschmack. Die Dekadenz hat sich im Laufe der Jahre beruhigt. Die Whiskymeile ist brav geworden. Als wir Mitte September am Abend den Strönwai durchlaufen, gibt's nichts zu Gucken – war wohl keine Show-Saison mehr.
TIPP. Noch mehr Insider-Wissen gibt es bei der sicherlich unterhaltsamen Führung "Kampen Abgedreht – die wilden 60er Jahre" mit der Buchautorin und Sylt-Führerin Silke von Bremen.
"Heißer Sand auf Sylt" (1967/68) Foto Quelle: Artur Brauner-Archiv im DFF / Deutsches Filmmuseum
Die deutschen Hamptons
Wie die Hamptons auf Long Island hat Sylt hübsche Dörfer von illustrem Ruf, Strände, Dünen, Leuchttürme und gute Restaurants. Nur statt der pompösen Mansions der Gatsby Gold Coast sind es hier zottige Friesenhäuser. Sylts Goldküste liegt in Kampen. Im ruhigeren Inselosten wohnt man zurückgezogen in den teuersten Immobilien Deutschlands hinter perfekten Buchskugeln oder verwilderten Heckenrosen mit Blick aufs Wattenmeer. Seit 1913 schreibt Kampen einen traditionellen Friesenhausstil mit Rotklinker und Reetdach vor. Das Haus darf maximal acht Meter hoch sein und zum Nachbarn müssen 24 Meter Abstand gewahrt werden. Denkmalschutz und strenge Bauvorschriften machen erfinderisch. So könnte es sein, dass ein unauffälliges reetgedecktes Häuschen bis zu vier Untergeschosse besitzt, um Platz für Garage, Pool und den Fitnessraum zu schaffen. Das Haus der früheren Besitzer Peter Suhrkamp und Axel Springer hat zuletzt 1&1 Internet-Milliardär Ralph Dommermut für 22 Millionen Euro gekauft. Spektakulär war der Umbau. Das kleine Haus wurde kurzerhand angehoben und dreifach unterkellert. Dass viele der Häuser die meiste Zeit leer stehen, ist ein Problem solch gutbetuchter Zweitwohnungsorte, die sich in der Nebensaison in eine Geisterstadt verwandeln.
Badefreuden auf Sylt
Wellenbaden und Sonnenbaden im Strandkorb sind besonders beliebt. Maximal 18° bis 20° Grad im Juli und August sind das höchste der Gefühle. Bei 16 Grad ist der Schock nur die erste Welle, danach ist es nur noch schön, ermuntert man neue Gäste.
Die Strandabschnitte auf Sylt sind genau unterteilt. Textil-Badestrand, FKK-Strand, Hundestrand und Surferstrand wechseln sich ab, wobei die Grenzen zwischen Textil und FKK mittlerweile recht fließend sind. Das war in den 1950er Jahren anders. Nicht selten wurden Spaziergänger von Nudisten, die sich missachtet fühlten, gezwungen, im Nacktbade-Abschnitt ihre Kleider abzulegen. Kommt heute ein Nackter aus den Dünen gerannt, dann kommt er mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Strandsauna und ist auf dem Weg, in die Nordsee zu springen.
Strandkörbe gibt es nicht ganz so viele wie Wattwürmer, aber doch 12.000 sollen es sein, die im Sommer von Nord nach Süd dekorativ an sechs Stränden stehen. Sie sind beeindruckend winddicht und für etwa 10 Euro am Tag zu mieten. Seinen gewünschten Strandabschnitt kann man online buchen. Bei unserem Aufenthalt Mitte September gab es viele leere Strandkörbe. TIPP. Wenn der Verleiher Feierabend macht, stehen sie frei zur Verfügung für den Sonnenuntergang!
Gefährliche Buhnen. Es gibt sie seit 1869 und sie sollten dem Küstenschutz dienen. Die senkrecht zum Strand ins Meer gesetzten Pfähle aus Eisen, Beton oder Holz zeigten aber kaum Wirkung. Jetzt verrotten sie im Meer. Am Strand markieren gelbe Holzkreuze die gefährlichen Stellen bis die Buhnen irgendwann alle entfernt sind – ein Millionenprojekt.
- Die Brandung an Sylts Westküste kann tückisch sein, die Badehinweise sollte man lesen und beachten.
- Sylter Strände und wichtige Badehinweise. Dort findet man auch eine Übersicht aller Strandbistros von Bier & Currywurst bis Schampus & Austern. Ganze 84 Strandübergänge gibt es auf Sylt.
- Ruhiger badet man an der Ostküste am Lister Oststrand und Oststrand von Hörnum.
- Strandsaunen (April-Oktober) gibt es bei List, Kampen, Rantum und in Hörnum ganzjährig.
- Mit der Gästekarte (eine Kurtaxe, die auf die Übernachtung automatisch draufkommt) hat man kostenfreien Zugang zu allen Stränden. Die Kurabgabe bezahlt z.B. die Rettungsschwimmer und hält die Strände sauber.
Sylter Sonnenuntergang
Man hat schon viele Sonnenuntergänge gesehen, aber die Naturkulisse und das Setting machen ihn auf Sylt besonders – vor allem ist es die einsame Ruhe. Zu jeder Jahreszeit schenkt Sylt seine besten Sonnenuntergänge. Einmal sitzen wir im Strandkorb mit einer Flasche Wein, den nächsten Tag auf einer Bank auf unserer Düne am Roten Kliff. Der Sonnenuntergang war an jedem Abend anders. Mein Favorit: Der zarte, stille in Pastell. Meer und Himmel fließen zusammen von Silber ins Hellblau und Rosarot. Tipp: Abends, wenn die Strandkorb-Vermietung geschlossen hat, steht es jedem frei das Korbmöbel zu benutzen.
Das grüne Keitum ist Sylts Dorfschönheit
Ist der Himmel bewölkt, sprechen die Einheimischen von 'Keitumwetter', dann ist das Dorf voll mit Touristen. An einem strahlenden Sonnentag wird man es fast für sich alleine haben – ohne Anstehen für Nielsens Kuchen!
Keitum ist das Sylter Bilderbuchdorf. Der Walfang und Seehandel machte es reich. Viele der alten Kapitänshäuser sind heute noch zu bewundern, hübsche Friesenhäuser mit tiefem Spitzgiebel und Wildblumengärten. Vor einer Gartentür wird selbstgemachte Marmelade angeboten, an einer anderen, frische Landeier, das Geld wirft man einfach in die Dose. Auch das Shopping-Erlebnis ist in Keitum vielfältiger als im Luxus schwelgenden Kampen. Schöne Läden und erschwingliche Designerlabels haben sich zwischen Cafés, Kunsthandwerk, Pensionen und Restaurants eingereiht. Keitum lässt sich leicht zu Fuß erkunden. Gleich am Ortseingang gibt es einen großen Parkplatz.
Keitum besitzt gleich zwei wichtige Museen, die das Friesentum anschaulich vermitteln und über die Geschichte Sylts und den Inselalltag erzählen. Die Sölring Museen vereinen vier Einrichtungen.
Mein Tipp. Das Altfriesische Haus im ehemaligen Kapitänshaus ist eine Zeitreise in die Sylter Wohnkultur des 18. Jahrhunderts mit mancher Überraschung und neuen Erkenntnis. Der Pesel, die 'Gute Stube' wurde nur zu besonderen Anlässen benutzt. Zu den Feierlichkeiten war man festlich aber vor allem warm gekleidet, denn die 'kalte Pracht', wie der Pesel auch hieß, war nicht beheizbar. Und wieso die Friesen die Nacht nur halbliegend verbrachten, wird man beim Besuch auch erfahren.
Das benachbarte Sylt Museum widmet sich der Inselgeschichte und ihrer Natur (als Kombiticket günstiger).
Als 'Hunebedden' bezeichnen sie hier die jungsteinzeitlichen Hünengräber aus tonnenschweren Findlingen. Das Großsteingrab Harhoog und den Grabhügel Tipenhoog findet man im Süden von Keitum. Auf dem Weg dorthin kann man gleich einen Blick ins Severin's Hotel werfen, das vielleicht schönste, exklusive 5*Resort der Insel mit Feinschmecker-Restaurant.
Sylts bedeutendste Kirche St. Severin (im Norden von Keitum Map) ist so schlicht, dass man sie von der Straße aus mit einer Scheune mit Silo verwechseln könnte. Bevor es Leuchttürme auf Sylt gab, taugte der Turm als Seezeichen. St. Severin ist der älteste Kirchenbau Schleswig-Holsteins (erbaut 1216). Auf dem Friedhof mit Wattblick fanden neben wohlhabenden Keitumer Kapitänsfamilien auch Spiegel-Gründer Rudolf Augstein und Verleger Peter Suhrkamp ihre letzte Ruhe.
- Ein Musikgenuss sind die Mittwochskonzerte von St. Severin (schnell ausverkauft). An jedem Mittwochabend wird ein Orgelkonzert gegeben oder es spielen Gastmusiker.
- Tipp. Ein schöner Wanderweg von Einsamkeit und Stille führt von Keitum ins nördliche Munkmarsch entlang der Wattlandschaft.
Tipps zum Einkehren in Keitum
Johannes King Genuss-Shop. Entspannt Snacken. Kleine, feine Gerichte vom Sternekoch des Söl'ring Hof können hier unkompliziert und ohne Reservierung gekostet werden. Mit Blick auf den Ortskreisel sitzen die Leute gerne draußen bei einem guten Glas Wein zu Sylter Austern oder einer Bowle. Originell ist die Dosensuppe. Bistro mit Shop, hohe Qualität, ein wenig teuer. Schließt um 20 Uhr. Lage & Öffnungszeiten Map.
Brot & Bier. Was Außergewöhnliches. Ein Sternekoch-Aussteiger macht jetzt sein eigenes Bier und exzellente Gourmet-Stullen. Die Kompositionen sind schon optisch ein Erlebnis. Die Preise sind hoch, aber mit Beigaben bester Qualität. Das Matjesbrot mit Sherry Matjes, Matjes Tatar, Hausfrauensauce, rote Bete & Nuss Crunch war absolut lecker und ausreichend. Das Lokal liegt ebenfalls am Keitumer Kreisel (Infos Google Map).
Nielsens Kaffeegarten ist seit 1919 ein Kaffeehaus und damit das älteste der Insel. Zum Nachmittagskaffee steht man am modernen Glaspavillon schon mal für die verführerischen Kuchen an. Toll sitzt man auf der erhöhten Terrasse mit Wattblick oder man holt sich einen Kaffee-to-go, dazu ein Friesen-Pai (ähnlich der Linzer Torte, aber mit reichlich Pflaumenmus) und setzt sich damit ans Wattenmeer. Dienstag Ruhetag (Map).
Kleine Teestube. Hier kommen die besten Gewächse in die Tasse sowie Eierlikörkuchen und Pfannkuchen auf den Teller. Wer mit den 60 Teesorten überfordert ist, wählt die Mischung 'Königsfriese'. Man sitzt beim Klöntee auf Samtsofas vor Spitzendeckchen oder im hübschen Vorgarten. Donnerstag geschlossen (Map).
Buch-Tipp. "ZU GAST AUF SYLT"
Sylts kulinarische Vielfalt stellt die Inselkennerin und ehemalige Vogue Beauty-Chefin Regina Stahl in einem prächtigen Bildband vor. Eine Gaumenreise von List im Norden bis Hörnum im Süden zu 33 ganz unterschiedlichen Restaurants: Kultcafé, Strandbar, traditionell norddeutsch oder Friesisch Fusion. Neue und beliebte, altbekannte Adressen mit Fotos, die Lust auf die Insel und ihre Küche machen. Wir erfahren allerhand Kurioses, Insidertipps und manch interessante Geschichte über die Inselwirte. Es ist eine Mischung aus Reise- und Kochbuch, mit dem man sich das Insel-Feeling nach Hause holt. Besser noch vor der Reise darin schmökern und schauen, wo man unbedingt hinmöchte, denn für vieles gilt – frühzeitig reservieren!
Lesevergnügen über Sylt
In ihrem Debütroman 'Ozelot und Friesennerz' porträtierte die Journalistin und gebürtige Sylterin Susanne Matthiessen den Sehnsuchtsort Sylt ihrer Kindheit in den Siebzigerjahren. Über Sylt im Wandel der Zeit handelt ihr neuer Bestseller 'Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn'. »Beobachtungsscharf, erfahrungsdicht, unsentimental: beste deutsche Unterhaltungsliteratur« meint Denis Scheck. ULLSTEIN. Bei Amazon als Buch & Hörbuch.
Einkaufstipps für Selbstversorger
In Wenningstedt zwischen Westerland und Kampen lässt es sich besonders gut und einfach einkaufen. Fast alle strömen sie zu Feinkost Meyer, um sich an seiner Feinkosttheke mit Fisch & Meeresfrüchte Salaten einzudecken. Angeschlossen sind eine sehr gute Bäckerei und ein Supermarkt mit Gourmet Niveau. Die Weinabteilung ist exquisit und im großen Humidor lagern feine kubanische Zigarren. Auf Sylt kann man immer ein bisschen mehr erwarten. Gleich nebenan befindet sich der Meyer Getränkemarkt. (Die Geschäfte sind sonntags geschlossen).
Die Bäckerei Abeling, die älteste der Insel, liegt ebenfalls an der Hauptstraße rund 500 Meter entfernt. Nach der Länge der morgendlichen Schlange zu urteilen, sind es die beliebtesten Brötchen. Eine Spezialität ist Sylter Algen-Vollkorn. Für das 'Franzbrötchen' lasse ich jedes Croissant liegen. Das Hamburger Gebäck ist klebrig und lecker mit viel Butter und karamellisiertem Zimtzucker. (Abeling Filiale in Westerland).
Außerdem in Wenningstedt: eine Fisch Blum Filiale mit Bistro & Verkauf.
Sylt Delikatesse. 'Das Lamm ist bereits vorgesalzen'.
In den zeitweise überfluteten Salzwiesen wachsen würzige Salzgräser, die den Sylter Salzwiesenlämmern ihren feinen, aromatischen Geschmack verleihen. Vorzügliches Fleisch vom Lamm und Galloway-Rind gibt es im Hofladen vom Gäsehof Petersen bei Keitum, ein Biobetrieb mit eigener Schlachterei. Die Tiere wachsen auf den Sylter Wiesen natürlich und ohne Kraftfutter auf. Das schmeckt man. Das Galloway-Rind war unglaublich saftig und schmackhaft und die Lammkoteletts und Lammbratwürste sensationell. Auch Sylts Top-Gastronomie, wie Söl'ring Hof oder Sansibar beziehen ihr Fleisch vom Gänsehof.
- Gänsehof Hofladen in Keitum. Mo-Sa, Infos siehe Google Map. Der Gänsehof verkauft Premium-Qualität zu echt fairen Preisen und ist auch mit einem Stand auf dem Wochenmarkt in Westerland vertreten (samstags plus mittwochs während der Saison).
Wenningstedts zentrale Lage eignet sich gut als Standort für eine Inselerkundung. Es liegt am Weststrand und naturnah zwischen der Dünenlandschaft des Roten Kliffs und der Braderuper Heide. Schnell ist man im Treiben von Westerland oder in Kampen. Das Apartment & Ferienhäuser Angebot ist groß. Siehe z.B. die besten Bewertungen in Booking.com.
Morsum – Ausflug in den ursprünglichen Osten
Morsum im äußersten Osten hat noch einiges von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Eine fast pastorale Landschaft umgibt die Evangelisch-Lutherische St. Martin-Kirche inmitten weiter Marschen mit Höfen, Schafweiden und Pferdekoppeln. Die schlichte St. Martin zu Morsum wurde vor über 800 Jahren gebaut und ist turmlos geblieben. Etwas abseits steht der hölzerne Glockenstapel, dessen Glocke noch heute von Hand geläutet wird. Das Kircheninnere ist von schlichter Schönheit. Im 13. Jahrhundert besaß Sylt sieben Gotteshäuser von denen noch zwei stehen, die in Morsum und in Keitum. Das Dorf Eidum ging mitsamt Kirche bei einer Sturmflut unter, während die Kirchen von Rantum und List von den Wanderdünen verschluckt wurden.
Das Morsum-Kliff – Freilichtmuseum der Erdgeschichte
Das Morsum-Kliff ist ein geologischer Glücksfall. 10 Millionen Jahre alte Erdschichten können wir am Kliffabbruch ohne Schwierigkeiten wahrnehmen. Es passierte bei einer Eiszeit vor 150.000 Jahren, da hatte der ungeheure Druck der Gletscher die Schichten aufgestaut und schräggestellt. In der Reihenfolge ihrer Entstehung liegen sie auf gut zwei Kilometern Länge sichtbar nebeneinander.
Die älteste Erdschicht aus dunkelgrauem Glimmerton (6-10 Mio. Jahre) stammen aus einer Zeit, als Sylt noch Meeresgrund war. Darüber legte sich der rötlich braune Limonitsandstein (4-6 Mio. Jahre), gefolgt vom hellen Kaolinsand (2-3 Mio. Jahre). Die Schichtungen bergen zahlreiche Fossilien (Sammeln untersagt). Aus der Wärmephase im Tertiär fand man einen Backenzahn des dreizehigen Zebra Hipparion sowie versteinerte Schwämme und Korallen. Nach Sturmfluten lösen sich Versteinerungen, dann werden am Ufer Muscheln, Schnecken, Krebse aber auch Haizähne von den Insulanern gleich aufsammelt. Eine Fossiliensammlung ist im Sylter Heimatmuseum in Keitum zu sehen. Was die Eiszeitgletscher an enormem Moränenmaterial ablagerten, bildet gewissermaßen das Rückgrat von Sylt. Man stelle sich vor, das Morsum-Kliff sollte für den Bau des Hindenburgdamms abgetragen werden. Glücklicherweise durchkreuzte eine Privatinitiative diesen Plan und erreichte sogar 1923 seine Unterschutzstellung.
Morsum Kliff Besuch & Infos. Das Kliff und Geotop in der großen Dünen- und Heidelandschaft ist streng geschützt und jederzeit zugänglich. Zu Beginn führt ein Holzbohlenweg zu einer Aussichtsplattform. Auf einem angelegten Pfad dürfen die Besucher dann durch das Naturschutzgebiet hindurchwandern – erst oben über das Kliff, dann unten am Watt. Man studiert die farbigen Schichten an der bis zu 20 Meter hohen Kliffkante. Die riesigen Findlinge im Wattenmeer wurden von Gletschern aus Skandinavien mitgeführt. Am Ende des Weges muss erst noch 'Klein Afrika' durchquert werden, bis der Ausgangspunkt wieder erreicht ist.
- Die Morsumer Kliff Runde (Karte) ist landschaftlich sehr reizvoll. 3,5 km Länge, Dauer etwa 1 Stunde.
- Tipp. Viel Interessantes erfährt man bei einer fachkundigen Morsum Kliff Führung (montags bis freitags).
- Einkehr. 200 Meter nach dem Parkplatz auf dem Weg zum Kliff lädt das schön gelegene 'Landhaus Severins' auf seine herrliche Terrasse zu Lunch oder Kaffeepause ein (Foto).
Sansibar & Samoa – zwei Feinschmecker-Buden in den Dünen von Rantum
Sansibar oder Samoa Seepferdchen? Beide sind ein Sylt-Erlebnis, sofern man einen Tisch bekommt.
Die sich in die Dünen schmiegenden Feinschmecker-Buden liegen südlich von Rantum nur fünf Autominuten voneinander entfernt. Das Sansibar mit hohem Promi-Faktor wird geliebt oder verschmäht. Die Samoa-Fans mögen es hingegen 'weniger Hipp dafür mit mehr Pep in der Küche'.
Während der Saison gilt für beide: unbedingt vorher reservieren! Abends Tischvergabe in zwei Schichten, um 18 und 20 Uhr. Beide Restaurants liegen in den Dünen nicht weit vom Strand. In 1930er Jahren gab man den Nacktbadestränden ihre exotischen Namen 'Samoa' und 'Sansibar', vielleicht auch stellvertretend für die Strände der verlorenen gleichnamigen Deutschen Kolonien?
Sansibar. Die berühmteste Bretterbude ist legendär, Pilgerstätte und ein Markenprodukt. Abends hat sie die Gemütlichkeit einer Skihütte, im holzgetäfelten Raum speist man bei Kerzenlicht unter dem sagenhaft bestückten Weinkeller, in dem 30.000 Flaschen lagern sollen. Hinter dem Erfolg steht ein fleißiger, cleverer Schwabe, der aus seinem Kiosk mit Bockwurst-Verkauf eine Edelstrandhütte machte. Ein Renner sind die Trüffel-Pommes. Der geschützte Markenname hat sich inzwischen versilbert mit einer eigenen Modemarke und Parfums. Wer keine Reservierung bekommen hat, kann wenigstens nach Sansibar riechen.
Mit der Reservierung klappt es im Samoa Seepferdchen, das auf Anhieb einladend wirkt. Ein schönes Ambiente in einer zwanglosen, behaglichen Atmosphäre, ein motiviertes Team und eine gute Küche: Zum Start Sylter Royal Austern, gefolgt von wunderbaren Jakobsmuscheln auf orientalischem Linsensalat. Die Bouillabaisse war gut und reichlich bestückt, nur die Paprikanote hat mich etwas gestört. Das Angebot an Fisch und Meeresfrüchten reicht von grünem Hering bis zu Ceviche. Das Lamm-Carré und die ofenfrische Flugente am Nebentisch sahen aber auch gut aus. Zum Abschluss kann ich noch einen Strandspaziergang empfehlen. Die Preise sind für Sylt in Ordnung. Auf der Samoa-Terrasse sitzt man in Strandkörben in den Dünen, draußen gibt es keine Reservierungen, man wartet bis etwas frei wird.
Sylt mit dem Rad erkunden
Die Insel lässt sich bestens auf zwei Rädern erkunden. Der Westwind hat die Insel oft im Griff. Da sind die E-Bikes ein Segen und in jedem Ort zu mieten. Mit ihnen kommt man weit und gegen den Wind an. Normale Fahrräder gibt es günstig und wie Sand am Meer. Radwege schlängeln sich zwischen Dünen und Pferdekoppeln, über Deiche und durch Dorfstraßen. Allseits beliebt ist ein Radausflug nach Kampen zur Kaffeepause in der Kupferkanne. Auf der stillgelegten Bahntrasse kann man die ganze Insel von Nord nach Süd durchqueren. Wer nicht mehr kann, hängt sein Rad in den Fahrradträger der Sylter Busse und lässt sich zurückfahren. Für sein Rad löst man einfach ein zweites Ticket.
- In der Hauptferienzeit sollte man vor allem in Westerland frühzeitig in einer der Mietstationen eintreffen.
- Radtouren Vorschläge auf Sylt. Überall erhält man die Inselkarte mit eingezeichneten Radwegen.
- Im Frühsommer scheint auf Sylt sogar um 23 Uhr noch die Sonne!
Ganz oben im Norden.
Zum 'Goschen' und Wattwandern nach List
List ist ein gern angesteuerter Ort und sein Hafen ist das pulsierende Zentrum. Es geht zu wie auf dem Rummelplatz mit bunten Souvenir- und Essbuden. Eine echte Hafenatmosphäre kommt nicht auf. Die Lister Krabbenfischer sind verschwunden, mit dem letzten ging 2016 ein Stück Kulturgut verloren. Dafür haben 1986 die Austern Einzug gehalten. Im Wattenmeer vor List gedeiht die 'Sylter Royal' prächtig in der einzigen Austernzucht Deutschlands. Vielerorts kann man sie frisch genießen. Wieder versöhnt hat uns nach dem Hafentrubel das zauberhafte Listland, das zum Schönsten zählt, was die Insel zu bieten hat: Die Landschaft mit den letzten Wanderdünen, die einsamen Strände am Ellenbogen, der Sonnenuntergang am Weststrand.
Anziehungspunkt am Lister Hafen ist Gosch in der alten Bootshalle. Das Gosch Flaggschiff ist sowas wie das norddeutsche Pendant zum Münchner Hofbräuhaus – einmal muss man drin gewesen sein. In einer maritim-rustikalen Atmosphäre wird zwischen Fischernetzen, Seemannsfiguren und bunten Bojen geschlemmt und getrunken. Die Sonnenhungrigen sitzen draußen an Fischerboot-Tischen oder am Oberdeck. Hat man einen Platz gefunden, ist die Stimmung bestens. Den Nachtisch holen wir uns bei der Sylter Eismanufaktur. Ihr Eis ist in aller Munde. Meine Favoriten: Salzkaramell, Sylter Milcheis, und die dunkle Schokolade. Außerdem in List:
- Lister Markt. Eine Shopping Mall mit gutem Supermarkt, Feinkost und der Bäckerei Ingwersen.
- Königshafen. Im alteingesessenen Familienrestaurant bekommt man gute norddeutsche Küche.
- Alte Backstube Familie Voigt. Familiengeführtes Café und Restaurant mit nettem Garten.
Sylt und sein geliebtes Fischbrötchen
"Heute schon gegoscht?" Ein Besuch bei Gosch gehört zu jedem Sylt Besuch einfach dazu. Jürgen Gosch der Fischpabst von Sylt, auch 'Jünne Hummer' genannt, ist weit über die Insel bekannt. Ein Gosch ist nie weit, ob Großrestaurant, Bistro, Markt oder Fischstand. Mit dem Fischbrötchen-Verkauf am Strand hatte alles begonnen. Knackig gehen sie heute zu Tausenden über den Tresen, vom süßsauren Brathering haben wir uns gleich zwei gegönnt. Bei den Fischbrötchen teilen sich die Sylter in zwei Lager, die einen schwören auf Gosch, die anderen auf Fisch Blum. Auf jeden Fall zählt das Fischbrötchen zur Sylter Lebenskultur.
Mein LIST Einkehr-Tipp. Ein Wohlfühlort ist die L.A. Lister Austernperle. Abseits vom Trubel am Hafen direkt am Wattenmeer versteckt sich die kleine Strandbude. Wer sie entdeckt hat, wird es nur genießen. Der kleine Strand, der Blick übers Meer, frische Sylter Austern, Matjes oder die geliebte Currywurst. Sitzplätze sind rar, reserviert wird nicht. Einfach vorbeikommen (geöffnet von 12-21h30).
Watt erleben – Wattwanderung im Weltnaturerbe
Nicht weit vom Lister Erlebniszentrum Naturgewalten beginnt unsere geführte Wattwanderung. Noch waten wir blind durchs Watt in geliehenen Gummistiefeln, der Boden ist ein Schmatzen und Gurgeln. Die ruhige unspektakuläre Ostküste hält ihre Wunder im Reich der Gezeiten im Wattboden verborgen. Der extreme Lebensraum besitzt eine Artenfülle, die man sich nur schwer vorstellen kann. 100.000 Individuen leben auf einem Quadratmeter. Nach einer zweistündigen Watterfahrung wissen wir, Wattbewohner sind die reinsten Lebenskünstler, fähig zum ständigen Wandel. Einige sind kurios, andere erfinderisch. Unser junger Guide tippelt über den Sand, bis er uns einen Wattwurm an die Oberfläche geholt hat. Sie fressen unentwegt Sand, den sie alle 30 Minuten als Spaghetti geformte Kothaufen an die Oberfläche ausscheiden. Der Wattboden ist übersät damit – sauberster Sand, aus dem der Wurm zuvor alle Nährstoffe, Bakterien und Algen herausgefiltert hat. Auf diese Weise graben die Wattwürmer einmal im Monat den gesamten Wattboden um.
Einmal sollte man eine fachkundige Wattführung mitgemacht haben, sie ist durchaus unterhaltsam und öffnet ein Fenster in eine andere Welt. Von da an gingen wir mit ganz anderen Augen über das Watt.
- Die 2-stündige Wattführung wird vom Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt durchgeführt neben anderen naturkundlichen Führungen, etwa zu den Wanderdünen. Gummistiefel-Verleih vorhanden. Mehrere Schutzstationen auf Sylt bieten unterschiedliche Wattwanderungen an.
Getrieben vom Wind – die letzten Wanderdünen Deutschlands
Dieses Naturphänomen ist das letzte seiner Art in Deutschland und daher auch nur geführt zu besichtigen. Die Lister Wanderdünen lassen sich auf ihrem Weg kaum bremsen. Jährlich bewegen sie sich mit dem Wind um eine Autolänge ostwärts, in sturmgeplagten Jahren auch 15 Meter. Die größte der drei Dünen hat die eindrucksvolle Höhe von 30 Meter erreicht. Von der Hauptverbindungsstraße nach List kann man sie sehen, in etwa 30 Jahren dürfte ihr Sand den Asphalt erreicht haben. Lässt man sie bepflanzen oder doch laufen? Naturschützern schwebt ein Tunnelbau vor, denn mit einer Bepflanzung ginge die letzte Wanderdüne verloren.
Früher beherrschten Wanderdünen große Teile von Sylt. Die Bewohner fürchteten den Sandflug mitunter mehr als das Meer, vor dem die Dörfer damals noch Abstand hielten. Der Sand begrub, was ihm im Weg stand, Weide- und Ackerland und das alte Dorf Rantum. Die meisten Sanddünen wurden gezähmt, mit Strandhafer bepflanzt und dadurch sesshaft gemacht.
- Zum Schutz der Wanderdünen wurde 1923 zwischen Weststrand und List ein großes Naturschutzgebiet eingerichtet, das nicht betreten werden darf. Eine geführte Wanderung zum Fuße der Lister Wanderdünen ist die einzige Möglichkeit, ihnen nahe zu kommen (über Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt in List).
- Alternativ gibt es eine Aussichtsplattform (Map) bei List, von der man das Naturschutzgebiet überblicken kann.
Die große Wanderdüne ist 1400 m lang und 30 m hoch.
Raus zum Ellenbogen
Nördlich von Kampen beginnt im Listland die große Freiheit bis zu der Nordspitze von Sylt. Hier reckt sich der naturgeschützte Ellenbogen zwischen Rømø und List in die Meerenge. Ein Paradies mit herrlichen Dünen, alten Leuchtfeuern, einsamen Stränden, Meer wohin man blickt.
Der 4,5 Kilometer lange Ellenbogen ist ideal für eine Radtour oder Wanderung. In List schnappen wir uns ein Fahrrad, packen Strandtuch und Picknick ein und fahren los. Ein schöner Radweg führt von List an der Bucht entlang, vorbei an malerischer Watt- und Heidelandschaft bis die Mautstation zu dem privaten Landstreifen erreicht ist. Radler und Fußgänger zahlen keine Mautgebühr! Besitzer des Ellenbogens sind die Erben zweier Sylter Familien, erschaffen wurde dieser schöne Sandhaken von den Küstenströmungen, die hier stetig ihren Sand ablagern.
Vielfotografierte Berühmtheiten sind die zwei bildschönen rotweißen Leuchttürme, die seit 1858 bis heute den Seefahrern den Weg weisen. Sie sind die ältesten gusseisernen Leuchttürme Deutschlands, doch nur von außen zu besichtigen. Am Südufer, wo sich die große Bucht zum Wattenmeer hin öffnet, liegt das Surf-Revier. In seinem Flachwasser üben auch gerne die Kite-Schulen. Hier schauen wir uns nach einem gekühlten Bier um, jedoch vergeblich, am ganzen Ellenbogen gibt es keinerlei Verpflegung.
Der große Parkplatz vor dem Ellenbogenzipfel ist das Ziel aller Autofahrer und entsprechend voll kann der Strandabschnitt dort sein. Wer alleine mit sich und der Natur sein will, muss sich wegbewegen, einmal um die Ellenbogenspitze wandern oder man folgt einem der kleinen Strandzugängen an der langen Nordküste. An den herrlich leeren Stränden findet jeder in den Vordünen ein lauschiges Plätzchen. Nur auf das Baden muss man am rauen Nordstand verzichten, da überall gefährliche Strömungen herrschen. Das stört uns weiter nicht. Später bei Wonnemeyer am Weststrand bekommen wir dann unser Bier, suchen uns einen Strandkorb aus und blicken dem Sonnenuntergang entgegen.
- Für den Ellenbogen wichtig: Verpflegung und Wasser nicht vergessen.
- Eine Einkehrmöglichkeit gibt es am Ellenbogen nicht, aber vor der Mautstation am schönen Weststrand: Die Bam-Bus-Bar Haltestelle Weststrand ist Kiosk, Kneipe und Bushaltestellentreff, kultig und schräg. Oder die Wonnemeyer Weststrandhalle in den Dünen mit Restaurant und Kiosk mit Take-Out.
- Rundwanderung über die Ellenbogenspitze. Sie beginnt am Leuchtturm List-West (an der Mautstraße mit Parkplatz) und verläuft zu großen Teilen abseits der Straße. Länge 9 km, gut 2 Stunden reine Gehzeit. Die nächste Bushaltestelle 'Weststrand' liegt 2,3 km südlich kurz vor der Mautstation.
- Fahrradvermietungen in List siehe Map.
Hörnumer Odde – einmal die Südspitze von Sylt umrunden
Ein Spaziergang um die windumtoste Südspitze ist ein Naturerlebnis. An der Hörnumer Odde wirken gewaltige Naturkräfte und machen deutlich, wie stark die See die Insel formt. Die Umrundung beginn noch ruhig am Oststrand. Am schmalen Südkap rückt dann das Meer ganz nah und peitscht am Weststrand heftig gegen die Betonblöcke. Ausgerechnet diese Schutzmaßnahme aus den 1960er Jahren beschleunigte das Schrumpfen der Südspitze. Die tonnenschweren Tetrapoden schützen zwar die Feriensiedlung, räumen aber umso mehr den Sand an der Odde ab. Während wir die Sandzunge in 45 Minuten umwandert haben, brauchte man vor 30 Jahren noch drei Stunden dafür. Hingehen, bevor dieses vergängliche Stück Land verloren sein wird.
- Ausstellung Arche Wattenmeer & Führungen Info Google Map.
- An einem Wochenende oder schönen Tag muss man am Hörnumer Hafen mit vielen Ausflugsgästen rechnen, Richtung Odde lichtet sich aber das Feld. (Parkplätze Hörnum Hafen und Ortseingang).
- Wegen seiner ruhigen See eignet sich der Oststrand in Hörnum gut zum Baden.
- Das Café-Restaurant Lund ist in Hörnum die Anlaufstelle für die Kaffeepause. Sehr gut ist auch die Lund Bäckerei. Lieber Fischbrötchen? Gegenüber ist Fisch Matthiesen, die Fischadresse im Inselsüden. Das alteingesessene Fischgeschäft mit Bistro betreibt auch ein Fischkiosk am Hörnumer Hafen.
- Foto-Tipp. Das Panorama von der Restaurant-Terrasse des Strönholt. Der Blick geht über den in einer herrlichen Dünenlandschaft liegenden Golfplatz Budersand bis zum Meer.
Gutes Klima und bestes Trinkwasser.
Das Inselklima ist einzigartig und viel gerühmt ist die jodhaltige Sylter Luft, die der Westwind übers offene Meer bringt. Nichts liegt dazwischen bis zur Küste Nordenglands. Das Inselklima sorgt für Spannung, soll ungeahnte Kräfte freisetzen. Voller Enthusiasmus treibt es den Sylt-Liebhaber bei Wind und Wetter raus, danach kann behaglich Tee getrunken werden. Wenn mal der Ostwind weht, kommt die schlechte Luft, beklagen die Insulaner, vom Brackwasser der Ostsee.
Das Sylter Trinkwasser ist ein Naturphänomen. Als Feriengast fragt man sich schon mal, woher Sylt sein Wasser bezieht? Eine große Süßwasserblase tief im Geestkern der Insel versorgt die Insulaner mit Trinkwasser von hervorragender Qualität. Niederschlag reichert das Depot an. Mit der Härte 1 ist das Sylter Leitungswasser so weich, dass kein Haushaltsgerät entkalkt werden müsse – der Traum eines jeden Baristas.
Spaß beim Lesen bereitet
'Gebrauchsanweisung für Sylt' (s. Amazon) von Silke von Bremen. Ich kann es jedem Sylt-Besucher ans Herz legen. Hautnah mit einem humorvollen Blick erzählt die Sylter Geschichtensammlerin und Gästeführerin "von Friesen, Fremden und Freigeistern", verbindet kleine Sylter Geschichten mit der großen Inselgeschichte. Eine spannende, kuriose und erfrischende Lektüre.
Aus dem Buch erfahren wir, was eine 'Sylt-Garage' ist. Hinter unzähligen Garagentoren verbergen sich illegale Wohnungen für Saisonarbeitskräfte mit einer Heizung und Wasseranschluss. Wohnraum auf Sylt ist knapp geworden. Zwei Drittel davon wird an Feriengäste vermietet, weil es am lukrativsten ist.
Sylts Süße Versuchung
Gefühlt lauert in jedem Ort auf Sylt mindestens eine Traditionsbäckerei oder Konditorei mit einem Kuchen, den man probiert haben muss. Obgleich wir uns fast den ganzen Tag an der frischen Luft bewegten, hat sich die ständige Verführung auf die Hüfte gelegt. Friesentorte, Teewaffeln mit Roter Grütze, Fürstenschnitte, Sylter Bürgermeister, Plunderteilchen mit Pudding und Blechkuchen mit viel Sahne. Widerstand ist zwecklos.
Sylts beste 'Süße' Adressen von Nord nach Süd.
Alte Backstube Voigt und Sylter Eismanufaktur in List, Kupferkanne in Kampen, Café Wien in Westerland, Hotel Fährhaus in Munkmarsch, Hofcafé Klein’er Kuhstall in Tinnum, Nielsens Kaffeegarten und die Kleine Teestube in Keitum, Konditorei Jürgen Ingwersen in Morsum, Kaffeerösterei Sylt in Rantum, und das Café Lund in Hörnum.
Westerland
In der Inselhauptstadt angekommen, wird man erstmal nicht überwältigt sein. Westerland ist das touristische Zentrum der Insel. Von der Fußgängerzone über die Einkaufsmeile bis zur langen Kurpromenade ist immer Trubel. In den 1970ern erreichte die Sylter Bauwut ihren Höhepunkt, aber nicht alle Seebadvillen sind ihr zum Opfer gefallen. Das Angebot an Unterkünften, Fun-Places, aber auch an guten Restaurants ist groß. Hier mischt sich alles. Surfer feiern am Beach zu Techno-Beats und die Senioren lauschen in der Musikmuschel dem Kurorchester. Der schönste Stadtteil (in entgegengesetzter Richtung) ist das dörfliche Alt-Westerland mit geduckten Friesenhäusern und der kleinen Kirche St. Niels.
- Sylt Marketing ist das offizielle Tourismusportal für Sylt mit einer Tourismusinformation in Westerland (Google Map). Jede Stadt besitzt zudem ihr eigenes Tourismusbüro.
- Tipp: Westerländer Lebensmittel-Wochenmarkt, samstags von 7-13 Uhr, April-Oktober auch mittwochs.
Zwei Restaurant-Tipps für Westerland.
Friesen-Gemütlichkeit bei gutem Essen. Die Seekiste versprüht einen urig-maritimen Charme mit friesischen Kacheln und Gallionsfiguren an den Wänden. Die Küche ist gutbürgerlich norddeutsch mit Klassikern wie Hausmacher-Labkaus, Scholle Büsumer Art oder Miesmuscheln in Currysud, dienstags gibt’s ofenfrische Ente (auf Voranmeldung). An der Bar ergattern wir einen Platz. Wer dort vor lauter Gemütlichkeit die Schiffsglocke läutet, muss 'ne Runde schmeißen, ein 'Helbing Köm' ist der Norddeutschen Lieblingskümmel. (Lage Map)
Das Bistro Stadt Hamburg im gleichnamigen Hotel ist ein Evergreen wegen seiner ausnahmslos guten Qualität. Alles möchte man probieren: Königsberger Klopse, Tafelspitzsülze, hauseingelegte Bratheringe, Reibekuchen mit angebratenem Lachstatar (Foto).
Westerlands 'Alt Berlin' ist eine Kneipe, wie sie im Buche steht. Es darf geraucht werden. Einige Schritte weiter existiert seit 1920 der Tabakwarenladen mit der hauseigenen Stumpen-Marke "Westerländer Strandgespräch".
Windsurf World Cup Sylt. Eines der wichtigsten Surf-Events der Welt findet seit 1984 am Brandenburger Strand von Westerland statt (Ende September). Eine Woche lang zeigen die weltbesten Surfcrack auf den Wellen ihre Künste und gefeiert wird natürlich auch ausgiebig. (Klick Fotos).
Auf Sand gebaut – Sylt schrumpft
Die See holt sich das Land. In den letzten 800 Jahren ist Sylt um zwei Drittel geschrumpft. Mittlerweile hat man gelernt, dass weder Buhnen noch Betonklötze als künstliche Hindernisse etwas bewirkt haben. Es hilft nur neuer Sand. Das Meer hat ihn genommen, jetzt holt ihn sich die Insel zurück mittels großer Saugbaggerschiffe, die ein Sand-Wasser-Gemisch aus dem Meer an den Strand pumpen. Um vier Meter muss der Sand aufgefüllt werden, den Bulldozer verteilen. An einem guten Tag schafft man 300 Strandmeter. Um Sylt während der Winterstürme vor starken Sandverlusten zu schützen, muss jedes Jahr aufs Neue Sand vorgespült werden. Zuletzt beliefen sich die Kosten auf rund 15 Millionen Euro.
Mit dem Klimawandel häufen sich die Monsterfluten mit Nordseebrechern bis zu 10 Meter Höhe. In aller Erinnerung blieb die Allerheiligenflut von 1436. In einer einzigen Nacht hatte sich der 'Blanke Hans' Eidum einverleibt. Das Dorf im Westen von Sylt war danach von der Landkarte gespült. Seine Bewohner konnten sich ins Inselinnere retten und gründeten eine neue Siedlung, das heutige Westerland.
Wieder zuhause, finde ich noch Sand in meinen Schuhen. Ich glaube, ich sollte ihn zurückbringen.
Von Edel Seebauer / Fotograf Jürgen Mahler
Wenn der Bericht gefallen hat, freue ich mich über einen Eintrag in mein Gästebuch.