Große Chile Reise Teil 1 – Altiplano
Einsamkeit im Altiplano – eine Erlebnistour durch Chiles hohen Norden
Nicht nur die Höhe kann einem den Atem rauben. Die Highlights der Atacama Wüste haben Reisende selten für sich allein, außer sie wagen sich weiter in Chiles hohen Norden in die Einsamkeit des Altiplano. Das Andenhochland ist eine der lohnendsten Exkursionen des Landes. Das Klima ist knochentrocken, die Route fesselnd und aufregend – und unproblematisch, soweit man von einem kundigen Guide im Geländewagen mit Reservekanister gefahren wird.
Ein wenig fühlt man sich schon wie auf einem Abenteuertrip. Von Meereshöhe schrauben wir uns immer höher hinein ins immer einsamere Andenhochland bis auf 4500m. Abgeschiedene, schillernde Lagunen, Salzseen, Canyons und schneebedeckte Vulkane liegen auf unserem Weg. Die endlose Weite scheint menschenleer, verlassene Aymara-Dörfer mit bildschönen Adobe-Kirchen tauchen am Wegesrand auf. Nur die zutraulichen Lamas sind ein Zeichen, dass es hier noch Andenbewohner geben muss. Auf sattgrünen Hochmooren grasen die wilden Vikunjas, deren feines Fellhaar die teuerste Wolle der Welt liefert. Erst ab 3700m fühlen sich diese Tiere wohl, wir helfen in dieser Höhenlage mit Coca-Tee nach. Am Ende einer langen Piste zeichnet sich durch die Staubwolken der Lithium-Lastwagen der blendend weiße Salar de Surire ab. Flamingokolonien staken unbeirrt durch den riesigen Salzsee, in den der Bodensee dreimal passen würde. Und zur Freude der Durchreisenden hat dort eine blaue Lagune auf 4300m immer Warmbadetag.
Altiplano Tour Norte Chile von Arica bis Iquique (4 Tage/3 Nächte)
Unsere Hochlandtour mit Orlando Oyaneder von Raices Andinas (Email: info@raicesandinas.com), war eine großartige Erfahrung und eine besonders erlebnisreiche Zeit in Chile. Die Tour führt von der Küstenstadt Arica in das Andendorf Putre (3500m), von dort durch den Altiplano zu den Höhepunkten Nationalpark Lauca, Salar de Surire Salzsee, Nationalpark Volcán Isluga. Neben der einzigartigen Landschaft waren auch die Geoglyphen, Adobe-Kirchen, die ältesten Mumien der Welt und die Salpeter-Geisterstadt Humberstone ganz besondere Erlebnisse. Zurück am Pazifischen Ozean endet die Reise im Badeort Iquique. Die Route ist etwa 700 Kilometer lang und dauert 4 Tage mit 3 Übernachtungen, 2 davon in Putre, wo man sich gut akklimatisieren kann. Die Reise geht Null bis auf 4.500m Höhe. Im Tourpreis ist alles beinhaltet, die Verpflegung inklusive Getränke und Kaffeepausen, sowie alle Eintritte (Thermen, Museen). Es gibt Touren von 2 Tagen bis über 2 Wochen.
Anreise: Arica und Iquique haben einen Flughafen mit den meisten Flügen über Santiago de Chile. Von San Pedro de Atacama und Calama fahren täglich mehrere Busse, z.B. auch über Nacht. Raices Andinas ist ganz flexibel, was Programm und Abholungsort betrifft, selbst wenn es in La Paz, Bolivien ist. Unsere Reisezeit Anfang November.
TAG 1. Arica – Putre (140km)
Bauernmarkt von Arica
Als erstes nimmt uns Orlando mit zum großen Bauernmarkt in Arica, führt uns herum und besorgt jede Menge Obst und ein Picknick für unsere Tour. Es ist erstaunlich, was am Rande der Wüste in den fruchtbaren Tälern alles angebaut wird. Wir beäugen exotische Früchte und unbekannte Gemüsesorten. Reifes Obst hält sich in dem trockenen Klima übrigens erstaunlich lange und schimmelt nicht. Cochayuyo, die getrockneten, großen Ochsenschwanzalgen sind ein traditionelles Nahrungsmittel in Chile und häufig in Eintöpfen zu finden. Die typischen in Papierrollen verpacken Kekse Alfajores sind am besten mit der Füllung 'Dulce de Leche'. In der Markthalle läuft sogar ein eigener Radiosender. Wenn die Steuerbeamten im Anmarsch sind, erzählt Orlando, werden die Händler über eine Radiodurchsage gewarnt, dann werden ordnungsgemäße Kassenzettel ausgestellt. Arica Markt Terminal Agropecuario (Map).
Attraktionen an der Ruta 11.
Unser Tag beginnt auf Meereshöhe und wird im Dorf Putre auf 3500m enden. Das fruchtbare Flusstal von Azapa zieht sich wie eine Oase durch die Wüste. Regen fällt hier gerade mal 1cm im Jahr. Das extrem trockene Klima und die salzhaltige Erde haben unzählige Überreste früherer Kulturen nahezu unversehrt belassen, wie die geheimnisvollen Erdzeichnungen und die rätselhaften, ältesten Mumien der Welt.
Geoglyphen Los Gigantes de Lluta. Die riesigen Erd- und Scharrbilder wurden zwischen 800-1300 n.Chr. an den Berghängen hinterlassen, vermutlich um den Handelskarawanen den Weg zu zeigen. Fast unberührt wirken die Bilder von Lamas und menschlichen Figuren noch nach 1000 Jahren.
Besuch bei den ältesten Mumien der Welt.
In der Region von Arica entdeckte 1917 der deutsche Archäologe Max Uhle die ersten Chinchorro-Mumien. Viel später erst konnte man durch die Radiokarbonmethode ihr Alter festlegen. Bereits vor 7.800 Jahren wurde die eigenwillige Mumifizierung angewandt, fast drei Jahrtausende vor den Ägyptern! Die Fachwelt war verblüfft von solch komplexen Bestattungstechniken bei einem einfachen Volk von Fischern und Sammlern. Im Gegensatz zu den Ägyptern, die nur Pharaonen und hochrangige Verstorbene mumifizierten, behandelte das Chinchorro Volk alle Toten gleich und präparierten sie nach einem aufwändigen Ritual. Unter den Funden sind auffällig viele Säuglinge und Kinder und man rätselt heute noch, was sie zu diesem Totenkult bewog? Den Körper bereiteten sie vor, indem sie das Gehirn, die Muskeln und Eingeweide entfernten und durch Äste, Federn, Lederstreifen, Wolle und anderes Material ersetzten. Vorher wurde das Körperinnere mit Feuer und heißer Asche gereinigt und getrocknet. Arme und Beine wurden ausgestopft und mit Lamafell bandagiert, der Körper mit Holzstäben stabilisiert und anschließend mit Lehm bestrichen oder gar neu modelliert. Den Schädel schmückte man mit einer Totenmaske und einer Perücke aus menschlichem Haar. 1983 wurden in Arica unter einem Felshang 96 Mumien entdeckt, und nicht selten findet einer beim Hausbau Mumienteile im Boden.
Einige Chinchorro-Mumien sind zur Ausstellung freigegeben, wie im Archäologischen Museum von San Miguel de Azapa, (ca. 10km von Arica, Info Google Maps). Neben dem Mumiensaal wird das Leben der Anden-Kulturen anschaulich dargestellt (Museumsprospekt englisch). Leider gibt es in der Ausstellung nicht allzu viel Informationen und diese derzeit auch nur auf Spanisch.
Im Dorf Poconchile gibt es gute chilenische Hausmannskost im Restaurante Puro Chile. Der Maisauflauf 'Pastel de Choclo' ist ein chilenisches Nationalgericht und sehr sättigend. Süßer cremiger Mais vereint sich mit herzhaftem Fleisch unter einer knusprigen Haube.
Die Ruta 11 schraubt sich an gigantischen Hängen hinauf und lässt die Vegetation bald hinter sich. Den vielen Lastwagenfahren ist die Aussicht gleich, sie müssen Strecke machen auf der Ruta 11, der wichtigsten Verkehrsader von der Küste zur bolivianischen Hauptstadt La Paz. Am Straßenrand erinnern Animitas, kleine Gedenkstätten, an die Verunglückten – häufig übermüdete Fahrer.
Die Quebrada de Cardones ist auch bekannt als das Königreich der Kandelaber-Kakteen. Der Spaziergang zu besonders schönen Exemplaren bietet tolle Fotomotive. Die bis zu 150 Jahre alten Kakteen verzweigen sich stark mit zunehmendem Alter, schrumpfen bei Dürre und füllen sich wieder mit Wasser auf. Sie sind nur hier im Großen Norden des Landes in größerer Zahl zu sehen.
Das Zapahuira Restaurant an der Ruta 11 ist auch bei den Fahrern beliebt. Gegen die Höhenkrankheit trinken wir brav noch den Teeaufguss aus Coca-Blättern, denn gleich geht es in Serpentinen noch höher hinauf.
Im verschlafenen Dorf Socoroma haben wir die Höhe von 3.000 Meter erreicht. Am Eingang stehen riesige Eukalyptusbäume als Wächter des Friedhofs. Auf dem Spaziergang ins Dorf sehen wir die alten Terrassenfelder, die seit der Inkazeit gebräuchliche Anbautechnik schützt den Boden vor Erosion. Bekannt ist Socoroma für den Anbau von Oregano, der hier besonders intensiv schmeckt. Um das Aussterben der alten Aymara-Siedlungen aufzuhalten, wurden der schöne Dorfplatz und die Kolonialkirche aus dem 17. Jahrhundert restauriert. Die Region zieht bereits neugierige Reisende an.
Entspannen im Andendorf Putre
Abgeschieden liegt Putre (3.500m) auf einem eingeschnittenen Hochplateau von Terrassenfeldern und den majestätischen Gebirgszug Nevados de Putre (5800m) umgeben. Bei der Anfahrt bietet der Mirador einen Blick auf die traumhafte Szenerie. In dem einzigen größeren Dorf des Altiplano kann man als Reisender gut verweilen und sich an die dünne Luft gewöhnen, dabei wird man von den freundlichen Aymara-Bewohnern umsorgt. Sie leben vom Ackerbau, der Alpaca- und Lamazucht und zunehmend vom Tourismus. Es gibt einige einfache und gastliche Unterkünfte und eine gute Handvoll Restaurants. Unser Hotelbesitzer vom Vientos del Altiplano begleitet uns ganz selbstverständlich durchs Dorf. Eine Ampel zeigt die aktuellen UV-Strahlung an, eine Erfindung der Chilenen. Im Krämerladen wird über den Tresen auch Benzin verkauft, eine richtige Tankstelle gibt es hier bislang keine. Auf dem hübschen zentralen Platz (mit Wifi!) geht es friedlich zu, man sonnt sich noch im goldgelben Licht der Abendsonne oder stöbert in den kleinen Läden zwischen Lama-Decken und Alpaca-Schals (die 100% Qualität zum hervorragenden Preis). So beschaulich stellt man sich San Pedro de Atacama vor etwa 20 Jahren vor. Mit der Dämmung sinken rasch die Temperaturen und es zieht uns in die warme Gaststube. Zum Abendessen kann sich man sich dann sein erstes Alpakasteak oder ein Quinoa-Risotto gönnen.
Klick Bildergalerie Putre
Empfehlenswert ist der Chile Reiseführer von Reise Know-How 2023, der auch auf den Altiplano Besuch im hohen Norden näher eingeht.
TAG 2. Lauca Nationalpark
Putre – Nationalpark Lauca – Putre (120km)
Am Frühstückstisch steht schon die große Kanne Coca-Tee mit Chachacoma, einer Heilpflanze, die noch stärker gegen Höhenkrankheit wirken soll. Auf gut asphaltierter Straße geht heute der Ausflug auf das nächste ökologische Stockwerk des Altiplano zum Lauca Nationalpark (4400m). Aber erst einmal werden wir von einer riesigen Lama-/Alpakaherde aufgehalten, deren Auftritt nicht filmreifer hätte sein können. Einige Alpakas mit buntem Ohrschmuck (Markierung der Besitzerfamilie) posieren geradezu vor der Kamera und die knuddeligen Tiere sehen aus, als hätte man sie aus dem Plüschtierregal geholt. Ein Lama kostet 200-250 USD, ein Alpaka 300-350 USD, der Preis hängt von der Farbe ab, wobei die weißen Tiere am teuersten sind. Der Hirte erklärt, die Herde gehöre drei Familien. Gefragt, wieviel Tiere es seien, grinst der Hirte nur verschmitzt. Diese Frage, erklärt uns Orlando anschließend, sei ähnlich indiskret, wie die Frage nach dem Stand des Bankkontos in Deutschland.
Typisch für den Lauca-Nationalpark sind die Sumpfgebiete 'Bofedales'. Nur wenige Touristen verirren sich auf den angelegten Wanderwegen. In den Bofedal de las Cuevas kann man gut wilde Vikunjas und viele Berg-Viscachas, Verwandte der Chinchillas beobachten. Zwischen den Felsen entdecken wir ein verlassenes Nest eines Condors, in das gerupftes Vikunja-Fell mit eingebaut wurde zum Warmhalten der Jungen.
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Die mehr als 6000 Meter hohen, von ewigem Eis bedeckten Vulkane Pomerape und Parinacota rücken immer näher. Die beiden Riesen bilden die 'Nevados de Payachatas' und sind den Andenvölkern heilig.
Am besten Aussichtspunkt auf die eindrucksvollen Zwillingsvulkane warten schon zwei schlaue Alpakas auf Touristen. Kommt man mit leeren Händen und nützt sie nur als Fotomodel aus, können sie sauer werden. Ganz besonders der schwarze Hässliche ist giftig und kann gut spucken. Orlandos Tipp kommt etwas spät. „Die Hände nicht in Ohrenhöhe halten, dort hält man sie zum Scheren fest“. Lamas und Alpakas spucken, wenn sie sich bedrängt fühlen. Ihre drei Mägen sind ständig in Aktion, als erste Warnung schleudern sie dem Störenfried ihr Halbverdautes entgegen, das sitzt meistens gut. Kehren wir ihnen den Rücken, bevor sie ihre langen Hauer einsetzen.
Alles Kamele. Lama, Alpaka, Guanako und Vikunja – die höckerlosen kleinen Andenkamele.
Guanako und Vikunja, das größte und das kleinste der Andenkamele sind die Wildformen, während das Alpaka und Lama seit 6000 Jahren ihre domestizierten Nachfahren sind. Die Inkas hielten sie als Nutztiere in großen Herden. Wohlhabend war, wer ein Alpakamantel trug, die allerfeinste Wolle der Vikunjas aber war der herrschenden Elite vorbehalten.
Vom Alpaka gewinnt man 1-2 Kilogramm hochwertige Wolle im Jahr, vom wilden Vikunja sind es höchstens 120 Gramm. Ihre Wolle ist die seltenste und exklusivste der Welt. Die Firma Falke verkauft das Paar Vicuña-Herrensocken für 860 Euro. Um an das 'Vlies der Götter' zu kommen, trieben die Inkas sie alle zwei Jahre zum Scheren in Gehege und ließen sie anschließend wieder frei. Vikunjas lassen sich nicht domestizieren, was ihnen fast zum Verhängnis wurde. Schonungslos gingen die spanischen Kolonialherren vor, ihre Gewinnsucht rottete sie fast aus. Die zarten Vikunjas findet man nur in den Hochanden auf Höhen von 3500 bis 5500 Metern. Sie stehen unter Artenschutz, aber eine gewisse Nutzung nach Art der Inkas ist zugelassen.
Auf dem Speiseplan findet man das magere Guanako- und Alpakafleisch als Eintopf oder Steak, das Fleisch der Guanakos enthält gerade mal 1% Fett.
Die Lagunas de Cotacotani bilden eine faszinierend schöne Landschaft aus vielen kleinen Lavainseln. Vom Chungara See, vier Kilometer weiter, werden sie unterirdisch mit Wasser versorgt.
Am Lago Chungará
Ruhig liegt er da, der höchstgelegene Vulkansee der Erde (4.512m), flankiert von majestätischen Vulkanen. Am Lago Chungará zieht der schneegekrönte Kegel des Volcán Parinacota und seine Spiegelung im See Menschen in den Bann. Wir wandern am Ufer entlang und sind überrascht, diesen Ort nur noch mit einem reglosen Schweizer Ornithologen-Paar zu teilen. 130 Vogelarten leben in dem UNESCO Biosphärenreservat, alle drei chilenischen Flamingo-Arten und die Riesen-Blässhühner, die schwimmende Inseln bauen, auf denen sie nisten. Am Ufer entlang finden sich Kothaufen der Vikunjas, mit ihrer Toilette markieren sie ihr Territorium. Im Hintergrund ist das von Erdfarben durchzogene Auf und Ab der Vulkanberge ein beindruckender Anblick. Mit 6500 Meter lugt im Hintergrund Boliviens höchster Berg Sajama heraus.
Der Chungará See liegt hoch, ist aber einfach zu erreichen. 52km von Putre liegt er direkt an der Ruta 11, der Fernstraße nach Bolivien. In Putre sollte man mindestens einmal übernachten, bevor der See auf 4570m besucht wird. Eine Tour von Arica bis zum Lauca Nationalpark am gleichen Tag ist ein Höhenschock, von dem abzuraten ist.
Mittags stärken wir uns in einem beliebten Truck-Stopp bei Senora Vicky. In der einfachen Gaststube serviert man gute Eintöpfe vom Huhn oder die stärkehaltige 'Chairo'-Suppe auf Basis von Chuño, Kartoffeln, die durch das extreme Klima gefriergetrocknet werden. Um Missernten auszugleichen entwickelten die Aymara diese alte Methode der Konservierung. Orlando geht in die Küche und bringt ein paar Kartoffeln raus, sie sind fast schwarz, steinschwer und scheinbar ewig haltbar. Gegen die Höhenkrankheit trinken wir brav noch den Teeaufguss aus Cocablättern, denn gleich geht es in Serpentinen noch höher hinauf.
Das Bofedal de Parinacota ist ein weites Feuchtgebiet und die Quelle des Río Lauca. Das Dorf Parinacota besitzt eine der schönsten Altiplano-Kirchen aus dem Jahre 1789 mit Ichu-Gras gedeckt und freistehendem Glockenturm. Wir treffen niemanden an, der uns die Kirche aufschließen könnte. Wie die meisten der Dörfer, füllt es sich zu den religiösen Festen mit Leben. Innen soll es eine bizarre Sammlung von Schädeln ehemaliger Priester geben und einen an die Wand geketteten Tisch, der sich angeblich nachts in Bewegung setzte, wenn ein Tod im Dorf zu erwarten war.
TAG 3. Putre – Reserva Nacional Las Vicuñas – Nationalpark Volcán Isluga – Salar de Surire – Cariquima (240km)
Im dünn besiedelten Reserva Nacional Las Vicuñas durchstreifen gut 20.000 Vikunjas die weiten moosgrünen Täler. Wir sind auf guter Schotterstraße unterwegs in einer Höhe von 3200 bis 3800m. Der Blick von oben erinnert uns ein wenig an den tierreichen Ngorongoro-Krater am Rande der Serengeti.
Ein Nandu führt seinen Nachwuchs aus. Der größte flugunfähige Laufvogel Südamerikas nutzt seine Flügel nur als Ruder beim schnellen Laufen. Tatsächlich kümmert sich alleine das Nandu Männchen um die Brutpflege und Aufzucht der Jungen, nachdem seine 5 bis 7 Hennen ihm ihre Eier angeliefert haben.
Quebrada de Chuba. Orlando hält an, um uns eine besondere, geologische Felsformation zu zeigen. Erst müssen wir auf einen Bergkamm steigen, bis sich ein umwerfender Blick auf ein Meer aus erodierten Felsnadeln und Erdfalten auftut mit Vulkankegeln im Panorama.
Am Horizont raucht der Guallatiri Vulkan wie ein einsamer König über dem Altiplano. Im Dorf Guallatire ist das Kirchenportal genau auf den Vulkan ausgerichtet. Im Glauben der Aymara sind die Vulkane die ‚Herren der Welt’. Wir treffen auf die ersten zwei Radfahrer auf Panamericana-Durchquerung, die hier Trinkwasser auffüllen. Der verrostete Sportplatz hat schon länger kein Leben mehr gesehen. Viele Familien sind in die Großstädte der Ebenen abgewandert.
In der Kirche wird für die Gottesmutter Maria eine Kerze angezündet und zur indianischen Erdmutter Pachamama gebetet. Durch die jahrhundertelange Missionierung hat sich die indianische Religion der Aymara mit christlichem Glaubensgut vermischt. Die von spanischen Missionaren im 16. und 17. Jahrhundert gebauten Kirchen sind für die Aymara Orte der Verehrung und das Dorf bleibt das Herz der Gemeinde, auch wenn die Familien für Bildung und Arbeit in die Städte gezogen sind. Sie kommen immer wieder in ihr Heimatdorf zurück, um ihre farbenfrohen religiösen Feste zu feiern, die auch mal eine ganze Woche dauern, wie uns Orlando erzählt. Dann werden Anlässe zusammengelegt, kultische Rituale, Beerdigungen und Hochzeiten. Das erklärt die vielen Haufen leerer Flaschen, über die wir uns in einem 'Geisterdorf' wunderten.
Die verbliebenen Hochlandbewohner leben die längste Zeit des Jahres nicht im Dorf, sondern bei den Herden in Estancias, kleinen, spartanischen Hirtenhäusern aus einem niedrigen Wohnraum mit einer Feuerstelle. Um die Aymara-Dörfer zu erhalten, wurden mit dem Projekt La Ruta de las Misiones bedeutende Adobe-Kirchen restauriert. Über die Jahrhunderte wurden um die 100 Altiplano-Missionen von Erdbeben zerstört.
Salar de Surire. In der weit entlegenen Salzwüste liefert eine Armada Staub aufwirbelnder Lastwagen ein bizarres Bild. Der wichtige Rohstoff Borax schlummert der in Salar de Surire. In dem auf 4250m hochgelegenen Ökosystem aus Salzseen, kleineren und größeren Lagunen sind 11.000 Flamingos zuhause, darunter der seltene James-Flamingo. Während wir im Teil des Naturreservats am Ufer Flamingokolonien und Vikunjas beobachten, wird im Hintergrund das Borax-haltige Salz abgebaut. Im endlosen Weiß des riesigen Salzsees (1750 km²) wirken die LKWs wie Spielzeugautos. 1989 hatte die Pinochet-Diktatur diesen Teil der Salar an ein Bergbauunternehmen verschenkt. Der Salar de Surire bleibt trotzdem etwas ganz Besonderes, für viele ist er der schönste Salzsee des Hochplateaus.
Termas de Polloquere. Nur mehr auf schmaler Piste geht es zu den heißen Quellen von Polloquere im Süden des Salzsees. In der blauen Lagune inmitten dieser Landschaft zu baden, ist eins der besonderen Altiplano-Erlebnisse. Manchmal baden hier auch Flamingos. Mit einem großen Andrang ist kaum zu rechnen. Den langen Weg bis hierher unternehmen nur wenige. Die Schweizer Iolanda und Kurt, die wir in Putre trafen, kommen gerade mit ihrem Wohnmobil angerollt. Sie sind schon zweieinhalb Jahren auf Südamerikareise und lassen sich Zeit. "Wir Schweizer sind langsam dafür schnell müde" scherzen sie. Orlando bereitet unser Picknick vor und der Platz dafür könnte schöner nicht sein. Die Schwefelquellen sind frei zugänglich und naturbelassen (keine Duschen), nachmittags weht der Wind stark (Lage Termas de Polloquere).
Am Pass Cerro Capitan im staubigen Nirgendwo passieren wir auf 4.460m den höchsten Punkt unserer Route und die bolivianische Grenze, die wir nach drei Kilometer wieder verlassen. Die Schüttelfahrt nimmt ein Ende.
Da sind sie. Zweieinhalb Jahre schon ist eine Familie mit dem Fahrrad von Alaska bis Feuerland unterwegs. Die zwei Kinder, 3 und 6, sitzen hinten im Fahrradanhänger und spielen Uno. Heute hat der Kleine Geburtstag, als sie losfuhren war er eineinhalb Jahre alt. Auf der steinigen Piste kommen sie nur sehr langsam voran und sie wird noch ewig so weitergehen. Orlando wusste, dass sie gerade auf unserer Strecke unterwegs sind und hatte auf dem Markt in Arica gleich mehr Früchte eingekauft.
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Panoramafahrt durch den Volcán Isluga Nationalpark.
Wir halten immer wieder an für die prächtigen Ausblicke über die weiten grünen Bofedales. Der Isluga Vulkan begleitet uns eine ganze Weile. Zwischen Rot-Braun und Gelb-Weiß wechselt das Farbenspiel der Vulkanberge. Auf der kaum befahrenen Straße kommt uns eine ganze Lieferwagen-Kolonne entgegen, alle ohne Kennzeichen. Schmuggelware nach Bolivien, meint Orlando, das sei nichts Ungewöhnliches. Die Kreuze, die wir hier und da an der Straße bemerken, stehen nicht etwa für die Verkehrsopfer. In der weiten Ebenen des Altiplano sterben mehr Leute durch Blitzschlag. Zwischendurch passieren wir kleine Weiler und Kulturlandschaften mit Quinoa. Das wichtige Grundnahrungsmittel der Andenvölker wird schon seit 5000 Jahren auf Höhen von über 4.000m angebaut. Bekannt wurde der nahrhafte 'Inkaweizen' bei uns mit dem Superfood-Boom. Die weltweite Nachfrage hat aber auch die Kehrseite, Quinoa ist für viele Bauern zu teuer geworden.
Kirche von Isluga. Isluga selbst ist inzwischen unbewohnt und dient den weit verstreuten Familien als zeremonielles Dorf. Eindrucksvoll vor der Kulisse der Berge steht die vielleicht schönste Lehmkirche aus dem 17. Jahrhundert.
Bevor wir das Dorf Cariquima erreichen, gibt es noch die blühenden Riesenkakteen am Rio Grande zu bestaunen.
Im isolierten 400-Seelen-Dorf Cariquima gibt es sogar eine Schule und eine richtige Unterkunft für Touristen mit ausgezeichnetem Essen. Die sympathische Besitzerin Fresia freut sich, wenn ausländische Gäste kommen. Ihre Arbeiter-Unterkunft "Tata Inti" hat sie um einige geräumige Zimmer ausgebaut. Sie lernt gerade Englisch aus einem Buch, das Orlando ihr aus der Stadt mitgebracht hat und nutzt während unserer Malzeiten jede Gelegenheit neue Wörter von uns zu lernen. Den Dorfplatz mit den Kakteen und der schönen Kirche sollte man sich unbedingt anschauen, bevor man Cariquima wieder verlässt.
TAG 4. Cariquima – Gigante de Atacama – Humberstone Mine – Iquique (230km)
Das Aroma Flussbett wird von trockenen, steilen Ufern begrenzt. Quebrada de Aroma bedeutet in der Sprache der Aymara "salziges oder bitteres Wasser", das der Fluss mit sich führt.
Im Valle de la Felicidad kann man kuriose Steinformationen sehen, wie man sie vielleicht aus dem Südwesten der USA kennt. Eine ziemlich eigentümliche Ansammlung sind die roten Felsen, die wie Pilzköpfe aus dem Boden ragen, manche mit lachenden Gesichtern. Es gibt keinen Weg, man klettert einfach hinauf. Es macht Spaß zwischen den Steinformationen umherzuklettern aber auch der Ausblick ist lohnenswert. Gegenüber hat sich der Steinwald 'Bosque de Piedras' aufgestellt, dazwischen verläuft die Straße und hat die beiden wie durch einen Strich farblich getrennt.
Zwischen den Felsen kann man schöne Exemplare der rar geworden Llareta studieren. Man könnte meinen, es sind bewachsene Steine. Über ihrem holzigen Wurzelstock bildet die Llareta-Pflanze ein Polster mit einer immergrünen Kappe. Sie wächst in Höhen zwischen 3500 und 5200m. Im baumlosen Andenhochland wird sie als Brennstoff zum Heizen und Kochen genutzt. Da die 3.000 Jahre alte Pflanze nur extrem langsam wächst ist ihr Bestand stark zurückgegangen.
'Gigante de Atacama'
Auf der Ruta 15 bleiben wir noch eine ganze Weile auf der Höhe, bis wir den Andenabfall merklich vor Augen haben, geradewegs durch die Wüste geht es hinab bis zum Meer. 90km vor Iquipue ruht der Riese von Atacama seit dem 9. Jahrhundert auf einem Hügel. Der beeindruckendste Geoglyph Chiles zeigt ein streng geometrisches Scharrbild einer präkolumbischen Gottheit. Mit einer Höhe von 96m ist der 'Gigante de Atacama' (oder auch Gigante de Tarapacá) das größte menschengestaltige Scharrbild überhaupt und nur aus dem Flugzeug oder Weltall, erkennt man seine ganzen Ausmaße.
Vom Boom zu Staub – Die Salpeter-Geisterstadt Humberstone
Eine andere von Menschenhand geschaffene Attraktion der Region ist die gespenstige, wie anziehende Geisterstadt Humberstone, ein Überbleibsel einer weitgehend vergessenen Industrie.
Ein seltsamer Anblick: Mitten in der Ödnis sitzt das riesige, rostige Skelett eines gestrandeten Wüstenschiffes, wie aus einem Mad Max Film. Die Oficina Santa Laura ist ein imposantes ehemaliges Salpeterwerk. Daneben liegt die konservierte Geisterstadt Humberstone mit Theater, Schwimmbad, Tennisplatz, Ballsaal und Einkaufsarkade. Die Markthalle besaß sogar einen Kühlraum für Zigarren und Fleisch. Das alles war für die privilegierten Ingenieure und Angestellten. Die Arbeiter hausten abseits in selbst zusammengenagelten Baracken und verrichteten die Knochenarbeit. Todesfälle waren durch Abstürze, Erschlagen und Verbrühen oder auch eine arbeitsbedingte Lungenkrankheit keine Seltenheit.
Aus einer der trockensten, unwirtlichsten Orte der Welt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts einer der profitabelsten. Der 'Privatstaat Humberstone' hatte privilegierte Leibeigene und eine eigene Währung. Den Marktplatz nannte man auch Pulperia (die Krake), wo das nur hier gültige Geld ausgegeben wurde.
Salpeter war in der Herstellung von Schießpulver und als Dünger sehr gefragt. Gut 40 Jahre lang sprudelte in Humberstone das Geld bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Salpeter-Nachfrage rückläufig war. Als BASF die synthetische Herstellung von Ammoniak im industriellem Maßstab gelang und den Chilesalpeter in der Herstellung von Salpetersäure (Grundstoff für Nitrate und Düngemittel) ersetzte, war das Schicksal des chilenischen Salpetermarktes besiegelt.
Etwa 200 Salpeterwerke hat die Wüste schließlich verschluckt. Ein Geschäftsmann kaufte das Humberstone-Santa Laura Areal und plante, die Überreste als Schrott zu verkaufen. Er ging mit diesem Vorhaben aber bankrott, wodurch Humberstone letztendlich erhalten blieb und 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Ein Besuch vermittelt anschaulich das Leben zu jener Zeit, als der Einfluss und Reichtum des Salpeterbooms durch die Bergbaustadt wehte.
Oficinas Salitreras Humberstone & Santa Laura Öffnungszeiten. Lage: 50km von Iquique Google Map
MEIN LESE-TIPP
Die Filmerzählerin
Der Autor Hernán Rivera Letelier wuchs selbst in einer chilenischen Salpeterminenstadt auf. Dies ist die Geschichte von María Margarita, einem Mädchen mit der seltsamen Gabe, Filme zu erzählen. In dem Salpeterdorf in der chilenischen Atacama-Wüste sammelt man Münzen, um sie ins Kino zu schicken. Wieder Zuhause wartet ein ganzes Publikum ungeduldig darauf, dass Maria die Filme erzählt, spielt und singt, als Marilyn Monroe, Zorro, oder John Wayne. Für die Menschen, die in Armut und Staub in den Wellblechhütten hausen, gibt es nur wenig Ablenkung, während die Salpeterbarone ein Dekadenz leben. Das kurze Buch hat großartige Momente des Humors, andere sind unglaublich zart und andere spiegeln das ungerechte Leben in einer feindlichen Umgebung wider. Eine einfach große Geschichte, deren Ende niemanden unberührt lässt.
»Wie kein Zweiter seiner Landsleute erfasst Hernán Rivera Letelier die lebensfeindliche Region in all ihren Dimensionen.« FAZ Hugendubel* | Thalia* | Amazon* Blick ins Buch (Werbelinks*)
ROMANE • REISEGESCHICHTEN • LÄNDERPORTRÄTS • FILME • HÖRBÜCHER • LÄNDERKÜCHE • BIOGRAPHIEN • MUSIK
UNSERE REISEFÜHRER. CHILE von Reise Know-How (Amazon). Ein durchweg guter Führer, der auch auf die Altiplano Erkundung und Rundfahrt näher eingeht. Im Verlag erscheint außerdem der Wanderführer Chile – Der Norden (Amazon) inklusive 10 anspruchsvoller Gipfeltouren im Andenhochland und der Atacama Wüste. Die Straßenkarte dazu Zona 1: Lauca y Surire gibt es an den COPEC Tankstellen.
Iquique – Beach Life und koloniale Prachthäuser
Iquique mit 300.000 Einwohnern liegt langgestreckt zwischen Pazifik und einer aufragenden Küstenwand. Es ist eine der schönsten Städte Chiles. Ihre kilometerlangen Sandstrände locken Badeurlauber und Surfer an, man nennt es auch das chilenische Miami. Wir bleiben nur eine Nacht, was ausreicht, um zu Fuß die schönsten Seiten der Stadt zu erkunden: das Strandleben und das Erbe der Salpeter-Ära auf der Avenida Baquedano, ein Nationales Monument und das Schmuckstück der Stadt.
An der erfrischenden Pazifikküste wohnten und amüsierten sich die Minenbarone während die Arbeiter in der Wüste schufteten. Ihre Stadtpaläste und Kolonialhäuser zieren die breite Avenida Baquedano vom Meer bis zur Plaza Prat inklusive Opernhaus und Uhrturm. Heute ist es eine Fußgängerzone mit Geschäften, Restaurants und Cafes. Manche Häuserensembles haben etwas westernhaftes mit Veranda, Schwingtüren und hölzernen Gehwegen.
Vielleicht das schönste Hotel in Iquique? Im PAMPA Hotel ist jedes Detail ausgewählt geschmackvoll. Von außen sieht man nur die schmale Holzfassade, innen öffnet sich eine kleine Oase mit dem Innenhof. Gebucht haben wir das Pampa Hotel auf Booking.com. Das Frühstück und die Lage im Zentrum sind sehr gut, es gibt auch ein Loft für 4 Personen.
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Direkt hinter der Stadt erhebt sich abrupt eine 600m hohe Sanddüne, ein äußerst bizarrer Anblick. Surfen, Paragliding und Sandboarding sind beliebte Aktivitäten. Der beliebteste Freizeitvertreib der Einheimischen ist "an den Strand gehen", köstliche Krabben-Empanadas essen, Eis am Stil oder ein Completo, der chilenische Hotdog mit viel Avodacocreme. Am Wochenende füllt sich die große Playa Cavancha und die Promenade mit Leben. Am 'Muscle Beach' trifft man sich zum Work-out. Zwischen ein paar alten Reckstangen ziehen die athletischen Jungs zu Hip-Hop-Musik ihre Show ab. Und sie sind wirklich gut! Mal fliegen sie über die Metallstangen oder schweben als Human Flag in der kraftzehrenden Waagerechten. Die Moves müssen cool und locker aussehen und die Muskeln werden gezeigt. Statt auf der Straße, an der Stange abhängen, ziemlich cool!
von Edel Seebauer / Fotos: Jürgen Mahler
Wenn der Bericht gefallen hat, freue ich mich über einen Eintrag in mein Gästebuch.
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