Wintersport hat in den Allgäuer Hörnerdörfer große Tradition
In den Oberallgäuer Hörnerdörfern wird behutsamer und authentischer Wintertourismus betrieben. Die kleinen Skigebiete sind seit Jahrzehnten fast unverändert in die Kulturlandschaft eingebettet. Hier sucht man vergeblich nach Sitzheizungen im Lift, dafür wärmen die bodenständigen und gastfreundlichen Allgäuer das Herz.
Vielleicht sind die 'Hörnerdörfer' dem einen oder anderen Bergurlauber noch kein Begriff. Deshalb vorneweg eine geographische Verortung: Die Hörnerdörfer, die da sind, Ofterschwang, Bolsterlang, Fischen, Obermaiselstein und Balderschwang, liegen im Oberallgäu entlang der namensgebenden Hörnergruppe. Diese Gipfelgruppe ist den felsigen Gipfeln der Allgäuer Hochalpen bei Oberstdorf vorgelagert. Nur etwa 30 km Luftlinie weiter südlich liegt der allseits bekannte Arlberg. Die Nähe zu den Vorarlbergern hört man auch am Dialekt: Hier wird nicht g'schwäbelt, sondern ein Alemannisch g'schwätzt.
Die über 1700 Meter hohen Grasberge der Hörnergruppe gehören zum Naturpark Nagelfluhkette und bieten in fünf Skigebieten auf insgesamt 90 Pistenkilometern ideales Skigelände: steil oder sanft, auf oder abseits der Piste, für Anfänger wie Fortgeschrittene, stets eingebettet in bewaldete Hänge – vor dem Panorama einer malerischen Winterlandschaft. Neben dem Skivergnügen bietet diese bezaubernde Umgebung natürlich auch andere Winteraktivitäten wie Langlaufen, Winterwandern und vieles mehr. Wir aber waren auf Einladung des Tourismusbüros gekommen, um die Abfahrtsski unter die Füße zu schnallen und den "Hörnern den Buckel runterzurutschen".
Wir brettern die Waldschneise hinunter, in der sich die Weltcupstrecke über insgesamt 1,8 Kilometer und 435 Höhenmeter nach Ofterschwang hinunterzieht. Unser Skilehrer mit dem Bilderbuchvornamen Toni erklärt, warum so ein Hang für die Weltelite interessant ist: „Ein Slalomhang braucht Abwechslung, also Übergänge, steilere und flachere Passagen, kein ebenes, sondern kupiertes Gelände“. Zuletzt gewann hier 2018 die amerikanische Topläuferin Mikaela Shiffrin. Wenig überraschend würde sich Anton Karg alias Toni, Chef der örtlichen Skischule, freuen, wenn Ofterschwang wieder einmal den Zuschlag für einen Weltcup bekäme. Doch derzeit stehen die Zeichen beim Internationalen Skiverband FIS auf Globalisierung: Unter dem ebenso umtriebigen wie streitbaren Präsidenten Johan Eliasch sollen neue Märkte erschlossen werden. Traditionsorte wie Ofterschwang oder auch Garmisch-Patenkirchen haben da einen schweren Stand. Die große Renn- und Langlauftradition der Region lässt sich im FIS-Museum in Fischen erleben. Hier sind nicht nur historische Skier ausgestellt, sondern auch die Erfolge der Allgäuer Spitzenathleten des Wintersports wie zum Beispiel die des Riesentorlauf-Asses Alexander Schmid vom SC Fischen.
Einkehr nicht vergessen! Denn das lohnt sich in den Skigebieten der Hörnerdörfer. Zum einen sind die Preise noch erschwinglich, zum anderen erlebt man dort echte Allgäuer Gastlichkeit. Besonders in Erinnerung bleibt die Einkehr auf der Alpe Blässe. Der urgemütliche Berghof liegt direkt an der Märchenwiesenabfahrt oberhalb von Gunzesried. Kein alpenländischer Schnickschnack, sondern echte Allgäuer Atmosphäre.
Stolze vierzig Jahre lang war Alfred drüben am Nebelhorn für die Pistenpräparierung verantwortlich. Heute ist er Chef der Pistenraupen-Mannschaft im Skigebiet Riederbergerhorn-Grasgehren. Abends, wenn die Lifte stillstehen, beginnt seine Arbeit. Wir sind heute von Ofterschwang über Bolsterlang und Obermaiselstein den Riedbergpass hinaufgefahren, um im höchstgelegenen Skigebiet der Hörnerdörfer Ski zu fahren. Jetzt aber sitzen wir in der Kabine einer hochmodernen Kässbohrer-Pistenraupe und sind mit Alfred auf Pistenpräparierungstour. Über eine halbe Million Euro kann so eine Pistenraupe kosten, je nach Hubraum und Ausstattung, zum Beispiel mit automatischer Schneehöhenerkennung. Aber so ein Extra braucht Alfred in seinem Fahrzeug nicht. Er kennt sein Gelände, die Mulden und Kuppen, weiß wo die Skifahrer tagsüber den Schnee hinrutschen und wohin er abends die Schneemassen wieder schieben muss. Je nach Schneebeschaffenheit muss der PistenBully zwei- bis dreimal die gleiche Spur bearbeiten. Die Pistenpräparierung ist neben den Liftanlagen einer der kostenintensivsten Posten eines Skibetriebes. Wer wedelt nicht gerne über einen 'weißen Teppich', also eine frisch präparierte Piste hinunter? Für Alfred ist es aber ein großes Ärgernis, wenn die frisch gewalzten und gekämmten Pisten noch am Abend von Skifahrern – meist Tourengehern – wieder aufgewühlt werden. Denn durch die Schwünge entstehen Schneeklumpen, die über Nacht gefrieren und den Skiläufern am nächsten Morgen zu schaffen machen können.
Alfred bringt seit über 40 Jahren all seine Erfahrung in die Aufbereitung der Pisten im Oberallgäu ein.
Von Kantenwinkel, Belagsstruktur, Wachsen – Thomas von der Skischule Grasgehren versteht sich in der Skiaufbereitung.
Pistenkilometer und Schneesicherheit sind heute wichtige Marketinginstrumente für Wintersportorte. Doch wie können sich kleine Skigebiete in mittleren Höhenlagen wie die der Hörnerdörfer in Zeiten des Klimawandels gegen die Großen im Nachbarland Österreich behaupten? In Balderschwang, immerhin über 1000 Meter hoch gelegen, hat man sich dieser Frage proaktiv angenommen und ist dem Projekt 'Beyond Snow' beigetreten. Darin haben sich eine Vielzahl von Wintersportorten in mittleren Höhenlagen und Gemeinden aus dem gesamten Alpenraum zusammengeschlossen, die sich alle den Auswirkungen rückläufiger Schneetage gegenübersehen. Noch vor wenigen Jahren wollte man die Skigebiete Grasgehren und Balderschwang durch den Ausbau der Bahnen über das Riedberger Horn zusammenführen. Schnee von gestern, man konnte sich gegen die Naturschützer nicht durchsetzen. Heute blickt der Balderschwanger Bürgermeister Konrad Kienle nach vorne und macht sich Gedanken, wie sein Tal trotz Klimawandel für Einheimische (sprich: Arbeitsplätze) und Touristen attraktiv bleiben kann.
An diesem Wochenende war es jedenfalls kalt genug. Die Temperaturen fielen nachts auf minus zwölf Grad, Balderschwang machte seinem Ruf als 'Bayrisch Sibirien' und Schneeloch alle Ehre. Wenn eine kalte Nordwestströmung aufkommt, ist Balderschwang buchstäblich an vorderster Front, wenn es um Schneefall geht. Für den bevorstehenden Skitag habe ich mir bei Robert Knebel von der Snowplus Skischule und Skiverleih einen Salomon S/Race GS Rennski ausgeliehen. Genau das Richtige für einen Tag, an dem die Freeridehänge rund um den Gelbhansekopf bereits zerfahren sind, die steile FIS-Abfahrt aber eine perfekt präparierte Piste bietet.
Natürlich sind die Skigebiete der Hörnerdörfer besonders familienfreundlich, denn 200 Pistenkilometer brauchen die Kleinen wirklich nicht. Entscheidend für Familien sind auch die Preise. Da Skiurlaub eh schon kein billiges Vergnügen ist, können kleinere Skigebiete hier gegenüber ihren großen Nachbarn punkten: Ein 3-Tages-Verbund-Skipass für alle Skigebiete der Hörnerdörfer kostet in der Saison 2023/24 135 Euro inklusive Eintritt ins Erlebnis- und Sportbad Wonnemar in Sonthofen, falls die Pistenverhältnisse einmal nicht passen sollten. Zum Vergleich: Ein Skipass für Erwachsene im Skigebiet Arlberg kostet 217 Euro – ohne Wellness. Allgäuer Gastlichkeit und Bodenständigkeit gibt es gratis dazu.
- Tourismus Hörnerdörfer. Professionelle und inspirierende Webseite, auf der man nichts vermisst.
Unterkünfte in den Hörnerdörfern
- Kienle - Das Kräuterhotel, Balderschwang. Hier wird man beim Frühstück vom Bürgermeister Konrad Kienle höchstpersönlich begrüßt. Er ist ein Gastgeber vom alten Schlag, herzlich und unverstellt. Seine Frau Silvia hat dem Hotel mit ihrem großen Kräutergarten samt Kräuterwerkstatt den Beinamen gegeben. Großzügiger Wellnessbereich im 4. Stock. Vom Hotel aus ist der Einstieg ins Skigebiet Balderschwang nicht weit, in wenigen Minuten Fußmarsch ist die Schelpenbahn erreicht.
- Berghotel Ifenblick, Balderschwang. Im Ifenblick bringt die Bio-Köchin Nina Meyer, bekannt aus der TV-Sendung 'The Taste', mit ihrer unkonventionellen Art Allgäuer Fusionsküche auf den Tisch. Dabei liegt der Fokus auf vegetarischen Gerichten, wie beispielsweise Kässpätzle mit Misozwiebeln. Das täglich frisch gebackene Brot macht ihr Bruder. (auf Booking.com*)
- Berggasthof Boden, Balderschwang. Direkt an der Skipiste im Skigebiet Balderschwang gelegen, bietet der 'Boden' Übernachtungsmöglichkeiten und tagsüber für die hungrigen Skifahrer eine Einkehrmöglichkeit. Toni und Matze haben nicht nur diesen Ort neu belebt, sondern auch die Köpfle Alpe an der Köpfleabfahrt. Bei Boden kann man gesellige Abende bei Glühwein und Eisstockschießen verbringen. Der Berggasthof liegt einsam am Berg, ist aber mit dem Auto erreichbar. (auf Booking.com*)
- Landhotel Alphorn, Ofterschwang. Der Name ist Programm. Hier kann man nicht nur gut übernachten, sondern auch vom Wirt Jörg Pöschl alles über das Alphorn erfahren und das Alphornblasen lernen. Das Hotel liegt am Ortseingang von Ofterschwang und bietet zur Talseite freien Blick auf die Allgäuer Kulturlandschaft. Der Weltcuplift ist ca. 15 Gehminuten entfernt. (auf Booking.com*)
(*Werbelink)
Text und Fotos Jürgen Mahler
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