Der spannendste Teil des Sentiero della Pace oder eine traumhafte Hüttenwanderung
Text und Fotos Jürgen Mahler
In den Bergen der Fanesgruppe bei Cortina d’Ampezzo bieten die Dolomiten die beeindruckendsten Ausblicke, hausen die Gestalten der Fanes-Sagen und sind Zeugnisse des erbarmungslosesten Gebirgskrieges aller Zeiten zu finden.
Wir berichten über zwei alternative Bergtouren, die bei unterschiedlichen Anforderungen über jeweils drei Tage mit Ausgangspunkt Lagazuoi Hütte (Map) durch den südlichen Teil des Naturparks Fanes-Sennes-Prags führen:
- 1. Klettersteig-Tour (3 Tage) auf dem spektakulärsten Abschnitt des 'Sentiero della Pace':
Lagazuoi – über die Fanisspitzen auf der Alta Via Veronesi – Übernachtungen GranFanes-Hütte (Alternative: Faneshütte oder Lavarellahütte) – Klettersteige am Furcia Rossa – über den Col Bechei de Sopra hinunter nach St. Hubertus an der Passstraße Cortina - Toblach (zurück mit dem Bus).
- 2. Hütten-Bergwandertour (3 Tage) in traumhafter Dolomiten-Kulisse:
Lagazuoi Hütte (Übernachtung) – über den Dolomiten-Höhenweg Nr. 1 zur Faneshütte (Übernachtung, alternativ Lavarella-Hütte) – über die Forcella Medesc hinab ins Gadertal nach St. Kassian (zurück mit dem Bus).
Hinweis: Wir bewegen uns im ladinischen Gebiet der Dolomiten. Ortsnamen und Berge sind dreisprachig: Deutsch, Italienisch und Ladinisch. Wir bemühen uns, die jeweilige deutsche Bezeichnung zu nutzen.
Wanderkarten & Wanderführer
- Sentiero della Pace (Amazon*) aus dem Rother Verlag ist der Führer über den gesamten historischen Fernwanderweg auf den alten Kriegspfaden aus dem Ersten Weltkrieg. Er beschreibt alle 45 Etappen des 700 km langen Weges vom Stilfser Joch bis nach Sexten.
- Das Dolomiten 4er-Kartenset (Nr. 672 – Maßstab 1:35000) Kompass-Verlag für Wanderungen, Biken und Skitouren deckt die gesamten Dolomiten ab (außer der westlich der Etsch gelegenen Brenta-Gruppe, die ebenfalls zum Unesco-Weltnaturerbe Dolomiten gehört).
- Einen größeren Maßstab (1:25000) bietet die Kompass Karte Nr. 617 Cortina d'Ampezzo, die allerdings das Gadertal nicht beinhaltet und damit den Abstieg unserer Bergwanderung Tag 3 nicht abdeckt.
- DOLOMITEN Reiseführer Michael Müller 2024 (Amazon*). Ein umfassender, gut recherchierter Führer von zwei echten Südtirolkennern mit wertvollen Tipps und Adressen, 15 Top-Wanderungen, Faltplan & App.
Immer wieder zieht es uns auf die Lagazuoi Hütte
Rund 2.800m hoch über dem Falzarego-Pass sitzt das Rifugio auf dem Bergrücken des kleinen Lagazuoi und bietet einen Rundblick, der in den Dolomiten seinesgleichen sucht. Das 360 Grad Panorama bietet atemberaubende Blicke auf nahe Bergstöcke, wie den massigen Sellastock, das Gletscherfeld der Marmolada, die Schneidezähne der Cinque Torri, den mächtigen Monte Pelmo, die runden Kegel der Tofane, die spitzen Pfeiler der Fanisspitzen und viele mehr.
Weitere Infos zum Rifugio in unserem Winter-Hüttenbericht Lagazuoi.
Um die Lagazuoi Hütte (Klick Fotos zur Großansicht)
Weltnaturerbe Dolomiten
"Die erhabenen, monumentalen und farbenreichen Landschaften der Dolomiten haben seit jeher Reisende fasziniert...", so begründet die UNESCO die Aufnahme der Dolomiten in die Welterbe Liste. Le Corbusier, dessen Architektur jüngst ebenfalls Weltkulturerbe geworden ist, sagt über die Dolomiten, sie seien das schönste Bauwerk der Welt. Für den berühmtesten Südtiroler Sohn, Reinhold Messner, sind die Dolomiten, wie könnte es anders sein, die schönsten Berge der Welt. Wir können allen nur beipflichten.
Insgesamt 9 Teilgebiete hat die UNESCO zum Welterbe erklärt, darunter die Brenta-Gruppe bei Madonna di Campiglio, die Geislerspitzen (siehe Bericht Schlüterhütte) oder die Nördlichen Dolomiten, in denen wir jetzt unterwegs sind.
3 Tage: Klettersteig-Tour auf dem Friedensweg
Klettersteig-Tour – Tag 1. Auf luftigen Höhen entlang der Fanisspitzen
Mit dem Bus von Cortina d’Ampezzo zum Falzarego Pass – Seilbahn hinauf zum kleinen Lagazuoi (siehe Winterbericht zur Lagazuoi Hütte) – auf Klettersteigen entlang den Fanisspitzen (Alta Via Veronesi) zur GranFanes Hütte.
Unsere Route führt uns entlang des Höhenwegs 'Sentiero della Pace' (Friedensweg), der über insgesamt 500 km die ehemalige Frontlinie des 1. Weltkrieges markiert. Hier lagen sich Italiener und Österreicher von 1915 bis 1918 in einem wahnwitzigen Stellungskrieg gegenüber, mitten in der Bergwelt der Dolomiten. Die Front verlief über hochalpines Gelände vom Stilfserjoch an der Schweizer Grenze, nach Süden bis zum Gardasee, östlich der Etsch quer durch das Trentino und Venetien bis hinüber ins heutige Slowenien, wo am Isonzo-Fluss eine ganze Reihe von erbitterten Schlachten ausgetragen wurden.
Gleich zu Anfang unserer Wanderung finden wir am Lagazuoi Zeugnisse des 'Grande Guerra'. In der Südwand legten die italienischen Alpini mehrere Stollen, die die KuK Kaiserjäger mit 300kg Sprengstoff unbrauchbar machen wollten, das war aber vergeblich. Gründlicher arbeiteten die Soldaten der italienischen Armee am nahen Castelleto unterhalb der mächtigen Tofane di Rozes. Im Juli 1916 ließen die Alpini hier am Ende eines 400m langen Stollens rund 35.000kg Sprengstoff detonieren und deformierten damit für immer die Silhouette des Castelleto. Der brutale Minenkrieg nahm seinen Lauf.
In seinem Filmklassiker 'Berge in Flammen' (YouTube) hat Luis Trenker den Alpenkrieg rund um Cortina eindrücklich ins Bild gesetzt.
Ausgerüstet mit Helm und Klettersteigset erwartet uns am ersten Tag eine Promenade der besonderen Art: Die Alta Via Veronesi – ein luftiger Klettersteig entlang Felsbänder auf der Westseite der Fanisspitzen. Schwindelfreiheit ist hier von großem Vorteil, die steilen Wände lassen tief blicken und an manch ausgesetzter Stelle würde man sich den ein oder anderen Meter mehr Drahtseil wünschen. Unser Bergführer führt uns aber sicher durch alle kniffligen Passagen. Für Via Ferrata-Liebhaber gibt es hier auch einen echten Klassiker zu bezwingen, der Tomaselli-Klettersteig verläuft auf Teilen unserer Strecke eine Etage über uns. Am Ende der Ferrata Veronesi geht es am Forcella del Lago über eine Geröllhalde hinab ins Fanestal, wo uns unser Nachtlager auf der GranFanes Alm erwartet.
Klick Fotos zur Großansicht
Die GranFanes Hütte ist, anders als der Name vermuten lässt, wesentlich kleiner als die um die Ecke liegende bekannte Fanes Hütte. Die GranFanes Hütte bietet ca. 15 Personen Platz im Schlaflager unter dem Dach. Eine sehr gut geführte, gemütliche Hütte mit fantastischer Lage inmitten der grünen Fanes Hochebene. Einzig die Waschgelegenheiten im Haus sind dürftig, dafür bietet der nah gelegene Fanes Fluss reichlich Wasser für die Körperpflege.
Klettersteig-Tour – Tag 2. Leiter-Parade am Furcia Rossa
Von der GranFanes Hütte zu den Klettersteigen des Furcia Rossa und zum Monte Castello
Eine der schönsten Tagestouren die man von der GranFanes Hütte unternehmen kann, ist die Überschreitung des Furcia Rossa auf zum Teil historischen Klettersteigen. Teilweise überhängend, teilweise als Band kühn in die Felswand gesetzt, bieten hier eine ganze Reihe von Leitern großes Klettersteig-Vergnügen. Der Ausblick vom Gipfel des Furcia Rossa auf die Tofane Gipfel ist atemberaubend, ganz besonders auf die Pyramidenspitze des Tofane di Rozes, im Winter ein herausfordernder Skitouren-Berg. Aber auch hier wird man an den Grande Guerra erinnert: Immer wieder sind in den Fels gehauene Stellungen zu erkennen, es sind Granatsplitter, Patronenhülsen oder der Corpus eines Ofens zu finden. Auf dem Monte Castello erinnert der Name des Biwak-Häuschen 'Bivacco della Pace' daran, dass es hier vor 100 Jahren keinen Frieden gab. Der Abstieg führt durch zunächst weiße Steinlandschaft entlang der Wände des Ciampestrin hinab ins lieblich grüne Fanes Tal.
Klettersteig-Tour – Tag 3. Großartige Ausblicke vom Col Bechei di Sopra
GranFanes Hütte – Lago di Limo – Col Bechei di Sopra – San Uberto – zurück mit dem Bus nach Cortina d’Ampezzo.
Unser dritter und letzter Wandertag bringt uns nochmals, ganz ohne Klettersteig, wechselvolle Anblicke der einzigartigen Dolomiten. Wir steigen hinauf auf den Gipfel des Col Bechei di Sopra, dort bietet sich uns ein grandioser Blick auf die Alpenhauptkette im Norden und auf das Dreigestirn der Tofane im Süden.
Informationen & Links Klettersteig-Tour – Sentiero della Pace
- Bergführer Cortina d'Ampezzo. Über 30 erfahrene Bergführer gehören zur ansässigen Bergführergruppe in Cortina d'Ampezzo. Die Tour kann ganz individuell mit einem der Bergführer organisiert werden.
- Allgemeine Webseite Cortina.Dolomiti.org mit allen Berg-Aktivitäten und Tourismus-Informationen.
- Hotels / Unterkünfte in Cortina d'Ampezzo (Booking.com).
- Best bewertete Restaurants Cortina d'Ampezzo. Mein Tipp, zum Essen auf der Lagazuoi Hütte einkehren!
3 Tage: Herrliche Bergwanderung durch die Fanesgruppe
Falzarego Pass – Lagazuoi-Hütte (Übernachtung) – Fanes-Hütte (Übernachtung, alternativ Lavarella-Hütte) – St. Kassian im Gadertal – zurück zum Falzarego Pass mit dem Bus.
Es muss nicht gleich ein Klettersteig sein. Bei unserem jüngsten Besuch in der Fanesgruppe waren wir ganz ohne Klettergurt und Helm unterwegs, das Erlebnis war ebenso grandios. Auf unserer 3-Tage-Bergwanderung treffen wir jede Menge internationales Publikum, denn wir bewegen uns zum großen Teil auf dem bekannten klassischen Dolomiten-Höhenweg Nr 1.
Bergwandertour Tag 1. Ankommen und Staunen am Lagazuoi
Ankunft am Falzarego Pass (PKW oder Bus) – Aufstieg auf Wanderweg Nr. 402 zur Lagazuoi-Hütte – 661Hm Aufstieg – 2 Std.
Kleines Wanderpensum für den ersten Tag. Dafür sollte man genügend Zeit für den Aufenthalt auf dem Lagazuoi Hütte reservieren. Die aussichtsreiche Terrasse, der Gang auf den Kleinen Lagazuoi und schließlich das hervorragende Essen in der Hütte müssen ausgiebig genossen werden. Ebenso kann man in den Stollen, die im 1. Weltkrieg in den Fels getrieben wurden, herumstreifen. In historischer Uniform gekleidete 'österreichische Kaiserjäger' und 'italienische Alpini' bringen für einen kleinen Obolus den Touristen das Weltkriegsgeschehen näher.
Die Lagazuoi-Hütte ist ob ihrer Lage als Aussichtskanzel der Dolomiten sehr beliebt und deswegen stets gut gebucht. Für die Zimmer gibt es ein Online-Buchungssystem, auch bei Vollbelegung sollte man immer wieder hineinschauen.
Bergwantertour Tag 2. Großes Dolomitenkino auf dem Höhenweg Nr. 1
Lagazuoi-Hütte Weg Nr. 402, 401 und 20 zum Lago di Lagazuoi – über die Scharte Forcella del Lago auf Weg Nr. 11 zur Fanes-Hütte (Übernachtung) – Aufsteig ca. 300Hm Abstieg ca. 1000Hm – ca. 5-6 Stunden.
Nachdem wir nochmals ausgiebig das Morgenpanorama auf der Lagazuoi Terrasse genossen haben, steigen wir hinab entlang der 'Weltkriegsgalerie' zur Forcella Lagazuoi und weiter entlang der imposanten rotbrauen Wände des Großen Lagazuoi und der Fanisspitzen Richtung Lago di Lagazuoi. Am pittoresken See geht's dann recht spektakulär steil, aber auf gut befestigtem Pfad hinauf zur Scharte Forcella di Lago. Im Aufstieg werden die Blicke zurück über den See und die Alpe bis hinauf zur Lagazuoi-Hütte von mal zu mal beeindruckender. Auf dem Sattel angekommen, ist das Tagespensum an Aufstiegsmetern auch schon fast geschafft. Von nun an geht's meist gemütlich bergab durch das weite Fanestal. An der kleinen GranFanes Hütte kann man einkehren, wenn man sich für die letzte halbe Stunde bis zur Fanes-Hütte noch einmal stärken will, schön sitzt man dort allemal bei sehr gutem Essen.
Bergwandertour Tag 3. Szenenwechsel zwischen Kreuzkofel und Lavarella
Fanes-Hütte Weg Nr. 12 zum Sattel Forcella Medesc – hinab nach St. Kassian – Aufstieg: 550Hm Abstieg: 1050Hm – 5-6 Stunden
Kleine, gemütliche Doppelzimmer mit Waschbecken und geräumige Gaststuben geben der Fanes-Hütte eher den Charakter eines Berggasthofes als einer Alpenhütte. Auf rund 2.000Hm im Talkessel der Kleinfanes Alm unweit der Lavarella-Hütte (Alternative) gelegen, scheint das Haus ein beliebtes Ziel für Familien mit Kleinkindern und dient im Winter vor allem für Skitourengeher als Basis für Touren zu den umgebenden Berggipfeln. Das Essen ist ganz ordentlich, kann aber mit der formidablen Küche der Lagazuoi-Hütte nicht mithalten.
An unserem dritten und letzten Wandertag nehmen wir den landschaftlich äußert reizvollen Aufstieg hinauf zum Sattel Forcella Medesc. Die Natur hat hier einen nahezu idealen Pfad angelegt. Hinter der Lavarella-Hütte führt er über kleine Felsstufen und -bänder, zunächst durch lichten Nadelwald mit kleinen Wasserfällen, später über karge Felslandschaften. Die Berglandschaft ist so ganz anders als am Vortag, keine rot-braune, senkrecht aufragenden Wände, sondern hellgraue, nicht allzu steil abfallende Berggipfel. Auf dem Sattel angekommen, bietet sich ein überwältigender Anblick der Puezgruppe und des Sellastock. Der folgende Abstieg ist am Anfang etwas haarig. Ein kaum angelegter Pfad über eine steil abfallende Schotterhalde hinunter erfordern konzentriertes Gehen, birgt aber keine Absturzgefahr. Der Weg hinunter zieht sich und wir sind froh, nach einer Regendusche an der Bushaltestelle in St. Kassian angekommen zu sein. Achtung bei der Rückfahrt zum Falzarego Pass, einmal Umsteigen am Sciarè Parkplatz (siehe Busfahrplan Südtirolmobil).
Film und Buch Tipp zum Alpenkrieg
SPERRFORT VERLE.
Ein autobiografischer Roman und Erlebnisbericht Luis Trenkers über die Alpenfront im Ersten Weltkrieg (Amazon).
In dem Roman BERGE IN FLAMMEN (Amazon) schildert Luis Trenker direkt und
wahrheitsgetreu den erbitterten Dolomitenkrieg unter unmenschlichen Bedingungen. Kein großer Schriftsteller, aber gut und interessant zu lesen, und ausführlicher als der gleichnamige Film.
Film Berge in Flammen (1931)
Luis Trenker hat mit diesem Film seine persönlichen Erlebnisse an der Alpenfront verarbeitet. Er gibt eine Vorstellung von der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Alpenkrieges, in dem sich zwei Freunde als Feinde gegenüberstehen. Mit dem Film gelang Trenker der internationale Durchbruch. Trotz seines Alters, ist er gut gemacht und wurde unter schwierigsten Bedingungen am Berg gedreht. Interessant für alle Bergliebhaber sind die alten Aufnahmen der Dolomiten.
Auf Amazon Prime Video (oder Blu ray DVD Version) in überarbeiteter Bild/Tonqualität.
Text und Fotos von Jürgen Mahler
Wenn Euch der Bericht gefallen hat, freue ich mich über einen Eintrag ins Gästebuch.